Laienspiel
Bohei.«
Kluftinger zog die Augenbrauen bei der vertraulichen Anrede zusammen. Haas versuchte ganz offensichtlich, sich so die Absolution für seinen Fauxpas abzuholen.
»Aber dann wäre er vielleicht weg gewesen! Das versteht ihr doch, oder?« Haas sah sie einen nach dem anderen an. Als sie nicht reagierten, setzte er eindringlich hinzu: »Wir haben gedacht, es kriegt ja eh keiner mit. Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Hätt euch eh nur Scherereien und Arbeit gemacht. Ihr hättet doch bestimmt genauso gehandelt …«
Wieder blieb es still. In diese Stille hinein platzte plötzlich Bydlinskis raue Stimme: »Wir ham ja nicht ahnen können, dass der gleich so … den Kopf verliert.« Dabei bleckte er seine gelben Zähne, was Kluftinger als seine spezielle Art eines Grinsens kennengelernt hatte. Er ballte die Hände: Wie dieser Kollege über Tote sprach, widerte ihn an. Er sah zu Strobl, der ebenfalls irritiert dreinblickte.
Doch Strobls Gesichtsausdruck hatte nichts mit Bydlinskis Rohheit zu tun. »Waffenschieber«, hauchte er. Sofort wurde auch Kluftinger klar, was er meinte. Der Kommissar schluckte. Er hatte sich von der Antipathie gegen den Kollegen gedanklich weit von dem Fall entfernt. Natürlich war das, was er gerade erfahren hatte, sehr beunruhigend. Viel beunruhigender als der Gedanke, dass es im Nachbarland offenbar Kollegen gab, die von Respekt gegenüber Verstorbenen nicht viel hielten. Wenn sich das wirklich bewahrheitete und die Spur der Waffenlieferungen hierher ins Allgäu führte, dann Mahlzeit, dachte Kluftinger.
»Die entscheidende Frage ist nun: warum?« Haas’ Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
»Warum was?«, fragte er.
Haas sah ihn verdutzt an. »Warum er sich umgebracht hat.«
»Die Frage beschäftigt uns seit gestern«, schaltete sich nun wieder Bydlinski ein. »Naja, und die, warum ihr Deutschen immer so korrekt tun müsst, als hätt euch jemand an Stock in den Arsch gesteckt.«
Hefele holte gerade Luft, um eine entsprechende Antwort zu geben, doch Kluftinger legte ihm die Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf. Die Stimmung war aufgeheizt genug, auch ohne dass sie sich auf Bydlinskis Sticheleien einließen.
»Egal«, sagte Bydlinski schließlich ein wenig enttäuscht, weil sich die Kollegen überhaupt nicht hatten provozieren lassen, »jedenfalls bläst man sich wegen einem bisserl Waffenschieberei nicht gleich den Kopf weg.«
Kluftinger nickte.
»Vielleicht war er ja zusätzlich noch depressiv. Oder hatte Beziehungsprobleme. Da kommt oft eins zum andern.« Maiers Einlassung folgten einige Sekunden Schweigen der Kollegen. Strobl und Hefele sahen sich an und verdrehten die Augen. Dann brach Bydlinski in schallendes Gelächter aus. »So? Hammer jetzt auch noch einen Doktor Freud hier sitzen? Was meinen Sie, Sigmund, wenn wir nicht geklingelt, sondern sanft geklopft hätten, hätten wir dann das Schlimmste verhindern können? Oder hat’s alles mit dem erhöhten Marzipankonsum zu tun?«
Maier funkelte die Österreicher kampfeslustig an. Doch Kluftinger kam ihm zuvor: »Gut, dann ist so weit ja alles klar. Die weiteren Ermittlungen ergeben sich aus dem, was Sie uns eben erzählt haben, werte Kollegen. Vordringlich sollten wir folgende Fragen klären: Wer war der Mann? Was hat er gemacht? Wie kam er an die Waffe? In welchem Umfeld hat er sich bewegt? Eugen, Richard, Roland: Ihr kümmert euch bitte sofort darum. Danke, das war’s.« Der Kommissar erhob sich eilig.
»Und wir?« Bydlinski blickte ihn mit großen Augen an. »Was sollen wir machen?«
Kluftinger hielt inne, musterte ihn kurz und sagte dann: »Sie können uns beim Packen helfen. Wir ziehen nämlich um!«
Tatsächlich wollte der Kommissar die Zeit noch einmal nutzen, um seinen Rückstand bei der Vorbereitung des großen Umzugs etwas aufzuholen. Beinahe täglich flatterten ihnen Hausmitteilungen mit einem exakten Zeitplan für den Ortswechsel zu, verbunden mit Empfehlungen, was man zu tun habe, um einen reibungslosen Übergang zu schaffen.
Kluftinger vermutete insgeheim, dass Maier da irgendwie seine Finger mit im Spiel hatte. Sicher war hier Planung nötig, schließlich konnten sie den Laden ja nicht einfach dichtmachen und für eine Woche ein Schild an den Eingang hängen mit der Aufschrift »Wegen Umzug geschlossen«. Auch wenn das nach Kluftingers Meinung die effektivste Möglichkeit gewesen wäre, das Ganze hinter sich zu bringen, sah er ein, dass sie nicht gerade praktikabel war.
Nun, da es nur
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