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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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war schon so, seit er nach dem Abitur für kurze Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, zu studieren. Auch wenn er nicht genau gewusst hatte, welches Fach ihn wirklich hätte interessieren sollen, war er seiner Mutter zuliebe einmal mit dem Zug nach München gefahren und hatte die Universität besichtigt. Schließlich hätte sie es so gern gesehen, wenn ihr »Bub« irgendein Doktor geworden wäre. Doch im Gewimmel der friedensbewegten Hippie-Studenten Anfang der Siebzigerjahre hatte er sich völlig deplatziert gefühlt.
    Außerdem hatte Kluftingers Abneigung gegen sämtliche Lehranstalten, in denen er sich schwitzend und ängstlich in irgendwelchen Prüfungen sitzen sah, schließlich die Oberhand behalten. Auch das Zureden seines Vaters, eine Polizeilaufbahn als Beamter sei nicht nur abwechslungsreich, sondern obendrein überaus krisensicher, hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Es gab nur wenige Dinge, für die er seinem Vater derart dankbar war. Auch wenn er wusste, dass der vor allem Angst davor gehabt hatte, seinem »Doktorbuben« lebenslang finanziell unter die Arme greifen zu müssen.
    Die Unsicherheit in universitären Dingen hatte in neuerer Zeit sein Sohn Markus verstärkt, der mit Begriffen wie »UB«, »Caféte«, »Repetitorium« oder »Hörerschein« hantierte – für seinen Vater allesamt böhmische Dörfer. Eine eigene Welt war das, in die er jetzt, mit Mitte fünfzig, auch nicht mehr eindringen wollte.
    Kluftinger zögerte. Er stand mitten auf dem quadratischen Innenhof, die gleißende Sonne blendete ihn. Alle Gebäude sahen gleich aus, ein wirklicher Haupteingang war nicht auszumachen. Schließlich ging er auf einen Studenten zu, der vor einer der Eingangstüren stand und rauchte.
    »Grüß Gott, eine Frage, der Professor Neumann, wo find ich den, bitte?«, fragte Kluftinger.
    »Hm … da haben Sie Glück, das weiß ich sogar.« Der junge Mann langte in seine Hosentasche und zog sein Handy heraus. Nach einem Blick aufs Display sagte er: »Ja, genau. Da müssen Sie zum Audimax.«
    Kluftinger stutzte.
    »Aha, wo jetzt genau?«
    »Zum Au-di-max«, wiederholte der Student und wies mit dem Finger auf den Trakt, der ihnen gegenüberlag. Genauer wollte Kluftinger nicht nachfragen.
    Der Kommissar kontrollierte zweimal alle Türschilder im Erdgeschoss des Gebäudetraktes, doch auf keinem fand er den Namen des Mannes, den er suchte.
    Plötzlich röteten sich seine Wangen, denn auf einem Plan entdeckte er das Wort »Audimax«. Nur bezeichnete das keine Person, sondern einen Raum. Natürlich, ein Raum. Markus hatte erzählt, dass sie manchmal im Auditorium Maximum Vorlesungen zusammen mit den Juristen hatten. Und er hatte sich damals noch mit seinen mehr als bruchstückhaften Lateinkenntnissen zusammengereimt, dass das »Größter Zuhörerraum« heißen musste. Er seufzte.
    Eine Minute später stand er vor dem gesuchten Hörsaal. Er sah sich den Belegungsplan auf der großen Eingangstür an, die urplötzlich aufging. Zwei Studenten kamen heraus und gingen ihres Weges, ohne ihn überhaupt wahrzunehmen. Auf dem Plan entdeckte Kluftinger zu seinem Missfallen lediglich ein paar Zahlen und Buchstabenkürzel, mit denen er nicht das Geringste anfangen konnte. Nach einigem Überlegen fasste er sich schließlich ein Herz und klopfte an die Tür, doch nichts geschah. Noch einmal, etwas vernehmlicher nun, schlug er mit den Fingerknöcheln dagegen. Und tatsächlich sah er wenig später, wie sich die Klinke senkte.
    Erwartungsvoll sah er auf die junge Frau, die jedoch mit ihrem Handy beschäftigt war und ganz offenbar nicht wegen ihm herauskam.
    »Hören Sie, Fräulein!«, rief er ihr nach. »Der Professor Neumann, wissen Sie, wo der gerade ist?«
    »Genau da drin. Können Sie ruhig reingehen«, kam als Antwort zurück.
    Kluftinger überlegte. Ob er doch lieber hier draußen warten sollte? Andererseits, es handelte sich ja um einen Hörsaal. Noch dazu um einen großen. Eine Art riesiges Klassenzimmer also. Und wenn er da jetzt beim Haupteingang reinplatzte, war das auch nicht gerade höflich. Ob es einen Hintereingang gab? Kluftinger lief an der Wand entlang nach links und dann um die Ecke. Und erblickte tatsächlich eine viel kleinere, einflügelige Tür, neben der das Schild »Seiteneingang Audimax« prangte.
    Als er die Türe aufdrückte, fiel ein strahlender Lichtschein auf ihn. Bunte, fröhliche Farben tanzten vor seinen Augen, als blicke er direkt durch ein sonnendurchflutetes Kirchenfenster. Der Kommissar erschrak

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