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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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und kniff die Augen zusammen. Auf einmal hörte er eine dunkle Stimme: »Hier würden Sie das Bauschema des Antriebskomplexes jetzt in der Draufsicht erkennen, wenn nicht der Herr … Hausmeister oder … Tafelputzer oder wer auch immer … vor der Leinwand stehen würde.«
    Kluftinger hielt schützend seine Hand vor die Augen. Und blinzelte in einen nach oben ansteigenden Hörsaal, der mit rund hundert Studenten besetzt war, die ihn nun ausgiebig musterten. Undeutlich konnte Kluftinger nun auch erkennen, dass er direkt im Lichtkegel eines Projektors stand. Kluftinger ging einen Schritt zur Seite und stand nun vor drei riesigen weißen Tafeln, gut zur Hälfte vollgeschrieben mit Formeln, Vektorengleichungen und Tabellen. Er sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und erblickte einen Mann seines Alters mit vollem, grau gelocktem Haar, der hinter einem Pult stand.
    Der Kommissar fühlte sich in die eigene Schulzeit zurückversetzt.
    Er schluckte und sammelte sich: »Ich bin weder der Hausmeister noch der Tafelputzer, Herr Professor Neumann. Mein Name ist Kluftinger«, gab der Kommissar nun viel ruhiger zurück.
    »Ach ja?«, fuhr Neumann ungerührt fort, »wie herzallerliebst für Sie. Und nun setzen Sie sich und schreiben wenigstens noch das Nötigste mit, den Hauptteil haben Sie ohnehin verpasst. Sie zahlen schließlich einiges für Ihr Seniorenstudium, nicht wahr?«
    Der Professor hatte dies in einem schneidenden Befehlston gesagt, der Kluftinger keine Wahl ließ. Wieder fühlte er sich wie ein Schuljunge und nahm folgsam in der ersten Reihe Platz. Erste Reihe. Priml. Ein Platz, an dem er in der Schule nicht um viel hätte sitzen mögen. Musste er eben warten. Dem Professor würde er sein Seniorenstudium schon noch geben. War wahrscheinlich sogar älter als er, die Silberlocke!
    Er war mächtig stolz auf den eben geprägten Spitznamen für den Professor und nahm nun, etwas entspannter, den Audimax genauer in Augenschein. Es sah ein wenig so aus wie der Chemiesaal seiner alten Schule. Nur größer und moderner. Und mit weißen statt mit schwarzen Tafeln. Der Vortrag des Professors war ein monotones Murmeln über Thermophysik und Mechanik.
    Er nahm ihn zunehmend nur als eintönigen Klangteppich wahr und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Was genau war eigentlich der Vorteil, dass man nun »schwarz auf weiß« schrieb, überlegte er. Auch bei der Polizei hingen sogenannte »Whiteboards« in allen Konferenzräumen. Dass man sündteure Stifte kaufen musste? Dass man die Dinger ruinierte, wenn man die falschen, permanenten Schreiber verwendete? Was sprach gegen Kreide? Und den guten alten Schwamm?
    Eine bleierne Müdigkeit breitete sich in seinem Körper aus. Kluftinger sah mit hängenden Lidern zum Professor. Und brauchte ein paar Sekunden, bis er realisierte, dass der ihm direkt in die Augen sah. Ruckartig setzte sich der Kommissar kerzengerade hin. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es völlig still im Raum war. Er fühlte, dass alle Blicke auf ihm ruhten.
    Seine Lippen begannen kaum merklich zu beben, seine Wangen wurden auf einen Schlag feuerrot. Starr blickte er zu Boden.
    »Na?«, hakte der Professor nun nach. »Das sollten Sie aber schon wissen.«
    Ob Kluftinger sich einfach nach der gestellten Frage erkundigen sollte? Andererseits würde er damit auch die Erwartung steigern, diese beantworten zu können. Warum wurde bei einer Vorlesung über haupt etwas gefragt? Markus hatte ihm erzählt, dass man da auch vortrefflich schlafen konnte, weil es reine Vortragsveranstaltungen seien.
    Hilfesuchend blickte sich Kluftinger um. Könnte ihm nicht jemand zur Seite springen? Gab es denn gar kein Mitleid mehr in dieser Gesellschaft? Keine Solidarität unter den Studenten?
    »Kommunion«, hörte er es endlich hinter sich flüstern. Hatte er richtig gehört? Was für eine Frage konnte das nur gewesen sein, deren Antwort »Kommunion« sein sollte?
    Vielleicht »Konversation«? Oder »Konvention«? Aber auch das schien nicht mehr Sinn zu ergeben. Was könnte passen, was so ähnlich klang? Egal, dachte er sich, schließlich hatte er hier ja nichts zu verlieren. Also fasste er sich ein Herz und ließ laut und deutlich »Kompression« vernehmen.
    »Exakt, natürlich ist es die Kompression, die bei den genannten Parametern ansteigt«, fuhr der Professor fort.
    Kluftinger konnte es kaum fassen. Er hatte intuitiv den richtigen Begriff genannt. Stolz blickte er sich um und suchte Augenkontakt zu den Studenten, die sich aber

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