Laienspiel
den Raum verlassen hatten.
Maier zuckte die Achseln und sah zu Strobl. Der nickte: »Es laufen doch gerade die Vorbereitungen für die Konferenz der Polizeichefs der Bodenseeanrainer.«
Natürlich, jetzt dämmerte es dem Kommissar. Tatsächlich hatte er vor ein paar Tagen davon gehört, dass sich dieses internationale Gremium regelmäßig zum Erfahrungsaustausch treffen wollte. Und der erste Gastgeber war die Allgäuer Polizei, deren Einzugsgebiet ja bis Lindau ging. Kein Wunder, dass Lodenbacher auf diese Störung der multilateralen Beziehungen so empfindlich reagierte.
Doch Strobl war noch nicht fertig. Mit einem spöttischen Grinsen um die Lippen fügte er hinzu: »Und heute treffen sich deswegen ein paar Leute im Ministerium. Er auch.«
Die anderen nickten wissend, spitzten die Münder und grinsten. Auch wenn die Sache mit den Kollegen ihre Arbeit nicht leichter machte: Ihrem Chef gönnten sie diese kleine Staatsaffäre.
Kluftinger nutzte die Zeit, die er Bydlinski und Haas zur Vorbereitung ihrer Präsentation gegeben hatte, um den Inhalt seines Schreibtisches unschlüssig von einer Schublade in die andere umzuräumen. Er hatte sich einen Umzugskarton danebengestellt, in den er seine Sachen verpacken wollte, doch er wusste nicht, welche und vor allem, nach welchem System. Bei Richard Maier war das anders. Schon seit sie vor über einem Jahr vom bevorstehenden Umzug erfahren hatten, strukturierte er irgendetwas an seinem Arbeitsplatz neu, um den Transport möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen. Er hatte sich sogar ein Buch über Methoden des effizienten Aufräumens gekauft, mit dessen Weisheiten er nun die Kollegen nervte.
Es ärgerte Kluftinger, dass Maier immer so penibel und gut organisiert war. Noch mehr ärgerte ihn jedoch die Tatsache, dass er selbst so wenig mit diesen Eigenschaften gesegnet war. Er sah auf die Uhr: In zehn Minuten waren sie alle im Besprechungsraum verabredet. Seufzend stand er auf, schob die Kiste neben seinem Schreibtisch mit dem Fuß in die Ecke und machte sich noch schnell auf den Weg zur Toilette.
Der Raum war menschenleer und somit war auch »sein« Pissoir frei. Manchmal schämte er sich dafür, dass er sich immer an derselben Schüssel seines Harndrangs entledigte. Doch in Büros war das nun einmal so, rechtfertigte er sich vor sich selbst. Es bildeten sich mit der Zeit Gewohnheiten heraus, die zu regelrechten Manien werden konnten. Auch in den Konferenzen hatten sie immer die gleiche Sitzordnung: er in der Mitte an der Stirnseite, rechts von ihm Strobl, Hefele links und – je nachdem, wie viele Kollegen sonst noch teilnahmen – Maier so weit wie möglich von ihnen entfernt. Und auf dem Klo war es nicht anders. Früher hatte er immer das Pissoir am Fenster genommen. Doch seit er in einem Fernsehbericht gesehen hatte, dass Männer in einer leeren Toilette immer die Schüssel wählten, die am weitesten vom Eingang entfernt lag, war er ein Pissoir weiter nach rechts in Richtung Tür gewandert. Er musste sich von keinem Psychologen erklären lassen, wo er zu pinkeln hatte.
So war also die zweite Schüssel von links im Laufe der vielen Jahre zu der seinen geworden. Er dachte gerade daran, dass all die lieb gewonnenen Gewohnheiten in ihren neuen Räumlichkeiten wieder völlig neu geregelt werden müssten, als er den Kopf hob. Augenblicklich versiegte sein Strahl, und sein Kiefer klappte nach unten. Direkt vor seine Augen, über seine Schüssel, hatte jemand ein Foto gehängt. Es zeigte einen bärtigen Mann mit grüner Strumpfhose und breitem Ledergürtel. Es war das gleiche Foto, das vorher an seiner Bürotür gehangen hatte. Das Foto, das Willi gestern am Tatort von ihm gemacht hatte. Mit hochrotem Kopf riss er es von der Wand und verließ die Toilette, ohne die Spülung zu betätigen oder sich die Hände zu waschen.
Heute war ihre Sitzordnung im Besprechungsraum etwas durcheinandergeraten. Es war kurz vor zehn Uhr, und die Kollegen der Tiroler Landespolizei hatten bereits am Kopfende des großen Tisches Platz genommen. Die übrigen Kollegen, die nach und nach eintrudelten, waren ein wenig irritiert, und jeder zögerte, bevor er sich einen neuen Platz mit einem neuen Sitznachbarn aussuchte.
Als Letzter betrat Kluftinger das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Noch während er auf den Tisch zuging, sagte er: »So, wir sind alle gespannt, was Sie uns zu erzählen haben. Fangen Sie doch einfach an.« Mit diesen Worten nahm er zwischen Strobl und Hefele
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