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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Minute blieb der Hörer stumm. Kluftinger wagte nicht zu atmen und schickte unwillkürlich ein Stoßgebet zum Himmel. Wenn das nun schiefgehen würde …
    Und dann hörte er den Schrei. Zunächst zuckte er zusammen, dachte, etwas Furchtbares sei passiert, dachte, ihr Albtraum wäre Wirklichkeit geworden. Dann noch mehr Schreie, sich überschlagende Stimmen, Jubel, Freudentaumel. Tränen schossen ihm in die Augen: Sie hatten es tatsächlich geschafft. Ihre Task Force war erfolgreich gewesen, all die Mühen der vergangenen Tage hatten sich ausgezahlt. Sie hatten Tausenden das Leben gerettet. Ein völlig neues Gefühl für Kluftinger, der sonst Verbrecher jagte und nicht Verbrechen verhinderte.
    »Wir haben es geschafft, mein lieber Kluftinger!«, schrie Yildrim jetzt ins Telefon. »Wir … auch Sie haben es geschafft, mein Freund. Tolle Arbeit.« Dann wurde er für einen Moment sehr ernst und fügte leise hinzu: »Danke. Vielen Dank.«
    »Ich …« Kluftinger hatte einen Kloß im Hals. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und antwortete schließlich einfach: »Ihnen auch danke.«
    »Lassen Sie uns morgen sprechen. Feiern Sie ein bisschen.«
    »Ja, Sie auch, bis dann«, erwiderte der Kommissar, doch da hatte Yildrim schon aufgelegt.
    Eine ganze Weile stand Kluftinger einfach nur da, überwältigt von Freude und Erleichterung. Dann drängten die Geräusche um ihn herum wieder in sein Bewusstsein. Ja, er wollte feiern. Jetzt sofort. Er stürzte sich also ins Getümmel aus kostümierten Menschen hinter der Bühne, die auf die nächste Volksszene warteten, und fand zwischen Landsknechten, Bauern und Adligen in der Spielerhütte endlich seine Frau. Ohne ein Wort schob er die anderen beiseite, ging auf sie zu und umarmte sie.
    »Was ist denn mit dir …«, begann sie überrascht, brach den Satz aber ab und drückte ihn fest an sich.
    »Lass uns was trinken«, flüsterte er ihr ins Ohr, zog sie hinter sich her zum Tresen und bestellte zwei Bier. Dann blickte er sich um und rief den Umstehenden zu: »Bestellt euch auch was auf meine Kosten, ich hab was zu feiern.«
    Seine Frau bekam große Augen, doch ihre Frage ging unter im Hallo der Menschen, die die Premiere in der Hütte seit Spielbeginn ausgelassen begossen.
    »Klufti, was ist denn mit dir los?«, fragte Edgar Schauer, der seine Spielpause ebenfalls für einen Besuch in der Hütte nutzte, und prostete ihm zu. Auch die anderen stimmten freudig in den Chor mit ein und ließen den Kommissar hochleben. Etwas abseits stand der Mann, mit dem der Kommissar die Fackeln vor der Schwur-Szene anzünden musste. Er wirkte noch immer wie ein Fremder in der ausgelassenen Spielerschar, und Kluftinger winkte ihn zu sich her. »Auch ein Bier?«, fragte er lachend.
    Doch der andere, an dessen Vornamen »Ludger« sich der Kommissar vor allem deswegen erinnern konnte, weil er so treffend unkomisch gewesen war, winkte ab: »Ich trinke keinen Alkohol.« Er sah irgendwie verändert aus. Kluftinger wusste zunächst nicht warum, doch schließlich fiel es ihm auf: Ludger hatte sich seinen Bart abrasiert.
    »Dann eben ein Wasser«, rief er und winkte ihn noch einmal etwas bestimmter zu sich her. Zu seiner Frau geneigt wisperte Kluftinger: »Was ist dem mit dem los? Lässt sich einen Bart stehen und rasiert ihn sich dann zur Premiere ab.«
    Erika nickte und fügte flüsternd hinzu: »Und wie der heut wieder riecht. Als ob er ins Rasierwasser gefallen wär. In eins für Damen allerdings.«
    »So? Ist mir noch gar nicht aufgefallen«, log Kluftinger, der sich noch immer dafür schämte, dass es genau das gewesen war, was ihm als Erstes an ihm aufgefallen war.
    Als Ludger bei ihnen stand, gesellte sich auch Kluftingers Vater zu der Gruppe. »So, ich hab gehört, mein Bub hat heut die Spendierhosen an«, sagte er. »Gibst du deinem alten Vatter auch was aus?«
    »Ein Bier für meinen alten Vatter«, rief Kluftinger über den Tresen, und beide grinsten.
    »Was ist das denn, das kannst du aber nicht auf der Bühne tragen«, sagte Kluftinger senior zu Ludger gewandt und zeigte auf die Kette, die der um den Hals hatte. Daran hing ein Schlüssel.
    »Vatter, lass ihn doch.« Kluftinger war es noch immer genau so peinlich wie als Kind, wenn sein Vater vor ihm Leute zurechtwies. »Da soll sich der Regisseur drum kümmern. Da, dein Bier. Und jetzt: prost!«
    »Na, ich mein …«
    »Pro-host, Vatter!«
    »Ja, ja, prost.«
    Sie stießen alle miteinander an, und Kluftinger fühlte sich wie ein neuer Mensch.

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