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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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ausgelassene Stimmung wurde jäh von einem »Etwas mehr Konzentration, meine Herren!« beendet. Heinrich Frank war unbemerkt zu ihnen getreten und legte die Stirn in sorgenvolle Falten. »Sie haben in wenigen Minuten eine sehr dramatische Szene zu spielen, da wäre es schon gut, wenn Sie den nötigen Ernst an den Tag legen würden«, sagte er. »Und seien Sie ein wenig leiser, bitte, ja? Dort oben sitzen zweitausendfünfhundert Leute, die müssen Sie ja nicht unbedingt hören.«
    »Wir spielen hier schon so lange, auch ohne, dass Sie schlaue Ratschläge verteilen, das kriegen wir schon hin«, warf Schauer ein, und der Regisseur verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln. Kluftinger hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass Frank vor dem muskulösen Altusrieder Angst hatte.
    »Ich meine ja nur«, fuhr Frank etwas weniger streng fort. »Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Ihrem Kollegen.« Dabei wanderte sein Blick zum Doktor.
    »Lieber nicht«, sagte Alfred und hob abwehrend die Hände.
    Kluftinger fand, dass er Recht hatte: Der Doktor war nur noch ein Häufchen Elend. Er tat ihm fast ein wenig leid.

Noch 1 Stunde, 5 Minuten, 9 Sekunden
    In diesem Moment begann die Kapelle mit der Ouvertüre, und sofort legte sich eine andächtige Stimmung über das Gelände. Jeder, der konnte, versuchte von hinter der Bühne einen Blick auf die voll besetzte Tribüne zu erhaschen. Auch in Kluftinger machte sich endlich das Kribbeln breit, das er so liebte, diese Mischung aus Vorfreude und Anspannung, die Erleichterung, dass die Proben nun endlich vorbei waren, dass das Spiel und damit der Spaß beginnen konnte. Ein Blick auf Langhammer zeigte ihm, dass diese Freude offenbar nicht alle teilten. Kluftinger nahm sein Handy, schaltete es aus, atmete tief durch und betrat mit den anderen die Bühne.
    Die Szene lief großartig bis zu der Stelle, an der Langhammer Kluftinger auffordern musste, den flüchtenden Baumgarten über den See zu fahren: »Greif an mit Gott, dem Nächsten muss man helfen, es kann uns allen Gleiches ja begegnen. Brausen und Donnern.«
    Für einen kurzen Moment sahen sie sich entsetzt an. Langhammers letzter Satz stand nicht im Buch, jedenfalls nicht als Sprechtext. Der Doktor hatte Schillers Regieanweisung mitgesprochen und damit alle aus dem Konzept gebracht. Ein paar Sekunden war es mucksmäuschenstill. Keiner wusste, wie er reagieren sollte, am wenigsten Langhammer, der mit bebenden Lippen in die Runde sah.
    Da fasste sich Kluftinger ein Herz und improvisierte: »Ei wohl, ich hör es auch.« Wieder blickte er in erschrockene Gesichter, doch er fügte ungerührt seinen eigentlichen Text an: »Der Föhn ist los, ihr seht wie hoch der See geht. Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.« Damit war die Szene wieder auf den richtigen Weg gebracht.
    Als sie danach hinter die Bühne gingen, war Langhammer am Boden zerstört. Auch das aufmunternde Schulterklopfen von Edgar Schauer und den übrigen Mitspielern, begleitet von Allgemeinplätzen wie »Das kann doch jedem mal passieren« oder »Die Zuschauer haben bestimmt nichts bemerkt«, vermochten nicht, ihn wieder aufzurichten.
    Kluftinger schloss sich den anderen auf ihrem Weg in die Spielerhütte an. Dabei zog er sein Handy aus der Tasche, schaltete es an, überprüfte es auf eingegangene Anrufe und wählte dann kurzentschlossen noch einmal Yildrims Nummer.
    Schon nach dem ersten Klingeln hob der Task-Force-Leiter ab.
    »Was ist denn …«, begann der Kommissar, wurde aber von Yildrim unterbrochen.
    »Wir sind kurz davor. Der Kollege hat die Verkleidung des Zündmechanismus abgeschraubt. Keine sehr aufwendige Konstruktion, Gott sei Dank. Aber jetzt gilt es. Er muss die Funkverbindung zum Handy des Attentäters trennen und dabei gleichzeitig die Zündung außer Kraft setzen.«
    Das Beben in Yildrims Stimme war selbst über die Handyverbindung deutlich zu hören. In allen Einzelheiten schilderte er dem Kommissar den Vorgang, den auch er selbst nur über einen Bildschirm im Stadion verfolgen konnte.
    Wie ein Film lief das Ganze vor Kluftingers Augen ab, und er vergaß völlig, wo er sich gerade befand. Er sah vor seinem inneren Auge, wie der Spezialist die bunten Kabel mit einem Seitenschneider durchtrennte, hielt den Atem an, als Yildrim betonte, dass der entscheidende Moment nun komme, wenn mit einem Störsender eine zweite Funkverbindung aufgebaut werde, um die andere zu deaktivieren.
    »Es ist so weit«, flüsterte Yildrim. Und für die nächste halbe

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