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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Kluftinger, dessen Sprechtempo sich immer mehr gesteigert hatte, beinahe ängstlich an und fügte noch »interessant, ehrlich« hinzu, um dann eine Taste auf dem Handy zu drücken und es sich eilfertig ans Ohr zu halten.
    Als sie es schließlich mit dem Kommentar »Anscheinend niemand da!« wieder wegpackte, hatten sie bereits Leutkirch erreicht, und Kluftinger stellte den Wagen vor einem Wohnblock ab, der sich passenderweise in der Allgäuer Straße befand.
    Kluftinger zuckte fast ein wenig zusammen, als Franziska Riedle, die Exfreundin des Selbstmörders, die Wohnungstür öffnete. Die hatte auf dem Foto zwar attraktiv, aber nicht annähernd so schön ausgesehen wie die blonde junge Frau, die ihm da nun gegenüberstand. Der Kommissar schluckte und stellte sich vor.
    Franziska Riedle war sehr überrascht, dass sie Besuch von der Polizei bekam. Erst als Marlene Lahm ihr erklärte, dass es um Tobias Schumacher ging, nickte sie seltsam wissend und bat die Beamten herein. Sie nahmen auf einem bequemen braunen Ledersofa Platz, das den Mittelpunkt der bescheiden eingerichteten Wohnung bildete.
    »Wissen Sie«, setzte sie in leichtem württembergischen Dialekt an, den Kluftinger zu seiner eigenen Verwunderung an dieser attraktiven Frau außergewöhnlich anziehend fand, »dass es mit Tobi kein gutes Ende nehmen würde, das war mir klar.« Sie hielt inne, wartete ein wenig, verstand das Schweigen der beiden Beamten aber richtig als Aufforderung, von sich aus weiterzuerzählen.
    »Wir waren ein ganz normales Paar. Unsere Freunde haben uns immer gesagt, wir seien besonders fröhlich. Bis Tobi immer mehr Kontakt zu diesen Leuten hatte. Ich weiß nicht einmal, wo er sie kennengelernt hat. Sie wissen bestimmt, er hat beide Eltern früh und auf einen Schlag verloren, bei einem Auslandseinsatz. Zunächst schien er alles gut weggesteckt zu haben. Aber ich merkte immer, dass er irgendetwas suchte … Halt. Oder Orientierung, das ist das bessere Wort.«
    »Und die fand er beim Islam?«, fragte Kluftinger nach. Ihm kam das, was Franziska Riedle als Grund für Schumachers Hinwendung zum Islam angeführt hatte, sehr bekannt vor.
    »Wenn Sie mich fragen: Er fand sie dort nicht, aber er suchte sie bei diesen … den Moslems. Meist waren das ältere Männer, die ihm Geschichten aus verschiedenen Kriegen erzählt haben. Geschichten von Blutvergießen, Schande, Ehre und vor allem von Rache und Vergeltung. Und Geschichten von einem Paradies, das nur denen offensteht, die gläubig sind und nach der Scharia leben.«
    Kluftinger war beeindruckt, wie flüssig die junge Frau erzählte. Es schien, als habe sie nur darauf gewartet, sich endlich jemandem mitzuteilen.
    »Wissen Sie, ich habe ein paar Semester Theologie hinter mir. Stellen Sie sich die Diskussionen zwischen uns beiden vor! Am Anfang fand ich es ja spannend, sozusagen aus erster Hand etwas über eine so fremde Religion zu erfahren. Aber schließlich bekam ich mit, wie viel mehr ihn die Geschichten und Versprechungen dieser Männer begeisterten als meine Auffassungen von Jenseits, Sünde und Vergebung. Ich wollte es zuerst nicht wahrhaben, aber er ist mir immer stärker entglitten und verschloss sich allmählich jedem vernünftigen Argument.«
    »Haben Sie die Männer, mit denen sich Tobias umgab, denn auch kennengelernt?«, fragte Kluftinger. Franziska nickte.
    »Näher?«, hakte der Kommissar nach. Sein Gegenüber senkte den Kopf und deutete ein Nicken an. Die Frage schien ihr unangenehm zu sein, und ohne dass Kluftinger weiterfragen musste, erfuhr er den Grund dafür: »Es ist mir im Nachhinein peinlich, dass es so weit gekommen ist. Und ich mache mir eigentlich auch ein wenig Vorwürfe jetzt. Ich will es Ihnen erklären: Ich habe Tobi nicht rechtzeitig … aufgehalten. Sein Verhalten, auch mir gegenüber, ist immer bizarrer geworden, eigentlich eine Zumutung und ganz und gar nicht akzeptabel. Vielleicht hätte ich ihm früher zeigen müssen, dass es so nicht weitergehen kann. Doch ich dachte, unsere Liebe würde siegen. Diese Leute wollten, dass er den Kontakt zu mir immer mehr einschränkt. Und er hat das auch gemacht! Erst wurden seine Besuche weniger. Dann wollte er nicht mehr, dass ich ihn so oft besuche. Irgendwelche fadenscheinigen Ausreden hat er dafür immer gehabt. Zunächst haben wir einfach mehr telefoniert, aber auch das hat nachgelassen.«
    »Und Sie sind sich sicher, dass die tadschikischen Bekannten Schumachers damit etwas zu tun hatten?«, fragte Marlene Lahm.

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