Lakritze - Thueringen Krimi
Hunger.«
Tatsächlich hatte Carla nichts gegen ein leichtes Essen einzuwenden. Das Restaurant entpuppte sich als eine Bar, die auf Saloon getrimmt worden war. Über der Theke hing ein ausgestopfter Büffelkopf, die Wände zierten Gewehre und aufgerollte Peitschen. Das Mobiliar war aus nacktem Holz gebaut. Eine tief hängende Petroleumlampe verbreitete düsteres Licht.
»Wenigstens passt das zu Ihrem Outfit«, sagte Carla.
Torsten schwang sich auf einen Barhocker, der alles andere als bequem aussah. Widerstrebend schob Carla sich auf den Platz daneben.
»Bier?« Der Barkeeper wartete die Antwort nicht ab und stellte zwei Gläser auf den Tresen.
»Für mich einen trockenen Weißwein mit Wasser gemischt, bitte«, sagte Carla.
Der Barkeeper guckte, als hätte sie soeben gedroht, seinen Laden in die Luft zu sprengen.
»Was ist?«, sagte Feuerbirk. »Die Lady möchte Wein, kein Bier.«
Grummelnd holte der Barkeeper eine Flasche aus dem Kühlschrank und entkorkte sie.
Carla fingerte ein paar Erdnüsse aus einer der Schalen, die auf der Theke standen. »Sie müssen sich nicht als mein Sprecher aufspielen.«
»Ich kann weit mehr.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Ich küsse wirklich gut.«
»Tatsächlich?«
»An Ihrer Stelle würde ich es ausprobieren.«
»An meiner Stelle würden Sie wenig von selbstgefälligen Angebern halten.«
»Sagen Sie das nicht, Sie machen mich unglücklich.« Torsten zwinkerte fröhlich.
Carla fragte sich, wieso er ihre Unterhaltung belustigend fand. »Sie sollten wenigstens zerknirscht sein«, entgegnete sie.
»Das bin ich. Sehen Sie nicht?« Torsten legte eine Hand auf seine Brust.
»Sie wollen sich bei mir einschmeicheln, und das mag ich nicht. Außerdem gehen Sie ran wie ein Teenager, der zum ersten Mal eine Braut abschleppen will«, sagte Carla.
Torstens Blick verdüsterte sich. »Beim Aufwachen heute Morgen wusste ich gleich, dass der Tag beschissen wird.«
Er tat Carla direkt ein bisschen leid. »Wie war es im Studentenwohnheim? Haben Sie etwas Neues erfahren über die Tote?«
»Lilly Mannasch war eine hübsche, begehrenswerte junge Frau, die nichts anbrennen lassen hat. Ein wenig flatterhaft, würden Sie wahrscheinlich sagen.«
»Glauben Sie?«
»Ich vermute es«, erwiderte Torsten. »Lilly hat es den Männern leicht gemacht. Einer ihrer Freunde hat es so formuliert: Lilly hat sich als kleines Dummchen verkauft, das keine Ansprüche stellt.«
»Dummchen? Ich denke, sie hat studiert.«
»Wenn man sich ihre Studienergebnisse anschaut, dann war sie wirklich nicht dumm. Trotzdem soll sie nicht intelligent gewirkt haben, vor allem nicht im Umgang mit den männlichen Studenten.«
»Was genau hat sie angestellt, um – wie Sie sagen – dumm zu wirken.«
»Sie hat sich albern verhalten, hat viel herumgekichert.«
Der Barkeeper winkte mit der Speisekarte. »Wollen Sie etwas essen?«
»Gute Idee. Kommen Sie, Carla. Wir setzen uns an den Fenstertisch«, sagte Feuerbirk.
Carla folgte ihm erleichtert. Ihr Hintern schmerzte bereits von dem harten Barhocker, als hätte sie die ganze Zeit auf einem Stein gehockt.
Kaum saßen sie, ging die Tür auf, und eine ältere Frau kam herein. Carla warf ihr einen flüchtigen Blick zu und vertiefte sich in die Karte. Im nächsten Moment stand die Frau an ihrem Tisch und begrüßte Torsten.
Die Frau war groß und rundlich. Dunkelbraune Löckchen umrahmten ihr Gesicht, das von grauen Augen dominiert wurde. Sie trug ein knallgelbes weites Kleid, in dem sie wie ein gewaltiger Zitronenfalter wirkte. Trotzdem passte das Kleid zu ihr, wie es wohl zu keiner Frau sonst gepasst hätte.
»Setz dich«, sagte Torsten zu der Fremden, als hätte er sie erwartet. »Wir wollten gerade etwas zu essen bestellen. Schließt du dich an?«
Er stellte die Frauen einander vor. Die Fremde hieß Irene Kleinert.
Frau Kleinert raffte ihr Kleid zusammen und nahm umständlich Platz. »Ich habe noch Gulasch von heute Mittag zu Hause. Der reicht mir. Ich konnte ja nicht wissen, dass du nicht zum Essen kommst.«
»Keine Zeit«, brummte Torsten und versteckte sich hinter der Speisekarte.
Frau Kleinert musterte Carla ungeniert. Wider Erwarten war es ihr nicht unangenehm. Sie lächelte Carla an, ohne aufdringlich zu wirken. Regelrecht sympathisch wirkte sie. Carla lächelte unwillkürlich zurück. Gewöhnlich passierte ihr so etwas nicht. Normalerweise war sie Fremden gegenüber vorsichtig.
»Weimar ist toll«, sagte sie, um nicht nur stumm dazusitzen und Frau Kleinert
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