Lallbacken
Westerwelle in Ägypten die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt hätte. Im Gegenteil – er pries Diktator Mubarak als »Mann mit enormer Erfahrung, großer Weisheit und die Zukunft fest im Blick«. Und Westerwelle fand es ganz prima, dass »Ägypten durch langjährige politische Kontinuität geprägt ist und ein Stabilitätsanker in der Region«. Ein Stabilitätsanker ist kompatibel mit einem Mobilitätsdampfer.
Als die Kontinuität im Eimer, die Stabilität zerbröselt und der Anker gelichtet war, forderte Außenminister Westerwelle im sicheren Berlin, dass der Wandel in Richtung Demokratie in dem nordafrikanischen Land sofort beginnen müsse. Es gehe nicht an, dass dieser Wandel herausgezögert oder vertagt werde. »Jetzt ist die Stunde des Dialogs, jetzt ist die Stunde des demokratischen Wandels«, tönte er.
Warum erst jetzt, warum nicht früher, als er mit dem Diktator gemütlich bei einem Tässchen Tee saß, darüber gab Westerwelle keine Auskunft. Aber er betonte, dass die Bundesregierung großes Interesse an einem stabilen Ägypten habe. Es dürfe nicht sein, dass am Ende Radikale oder Fundamentalisten auf der Demokratiewelle in eine Machtposition getragen würden. Also: Westerwelle befürchtete, die bösen islamistischen Muslimbrüder könnten von der Demokratiewelle umsteigen auf einen Diktaturtsunami und so Mubarak beerben. Und Grünen-Fraktionschef Trittin mahnte besorgt, je schneller Ägypten zur Demokratie zurückfinde, desto weniger Chancen hätten Islamisten.
Kurze Zwischenfrage, Herr Trittin: Wann bitte hat in Ägypten Demokratie stattgefunden? Und wie kommen Sie und andere Demokratieoberlehrerlallbacken eigentlich dazu, den Ägyptern vorschreiben zu wollen, wer in Ägypten regieren darf und wer nicht?
Ganz einfach: Demokratische Politiker wissen eben, wie Demokratie geht, und Deutschland ist eine Musterdemokratie, an der sich andere Länder ein Beispiel nehmen können. Das kann man beweisen: Die Mehrheit ist gegen die Rente mit 67. Die Mehrheit will eine gute Ausbildung und sichere Arbeitsplätze. Die Mehrheit will, dass die Löhne steigen und nicht nur die Gewinne der Unternehmen. Die Mehrheit möchte einen Mindestlohn. Die Mehrheit ist gegen eine deutsche Beteiligung am Afghanistan-Krieg. Aber es geht eben nicht immer nach der Mehrheit. Zur Demokratie gehört auch der Minderheitenschutz. Deswegen sind Politiker in Deutschland auch so sicher, obwohl kaum jemand sie leiden kann.
Der globale deutsche Außenkasper hob, um der Welt ein Beispiel demokratischer Einsatzfreude zu bieten, die Bedeutung und die Interessen der »Mittelschicht« Ägyptens heraus. Also – es kommt darauf an, dass in den arabischen Ländern auch in Zukunft nicht nur die Interessen der Armen gewahrt werden.
Libyen und der Diktator Gaddafiwaren nie so beliebt bei deutschen Außenministern wie Mubarak. Immerhin – das Land lieferte reichlich Öl, und es war ein wichtiger strategischer Partner der EU, wenn es darum ging, afrikanische Flüchtlinge an der Reise nach Europa zu hindern. Deswegen wurde es aufgerüstet, und Deutschland hat dazu seinen Teil beigetragen: hauptsächlich elektronische Ausrüstung, wahrscheinlich auch Störsender, mit denen das Gaddafi-Regime Handy, GPS und Internet blockieren konnte, Radartechnik vermutlich, die Libyen zur Sicherung seiner Grenze mit Italien erhielt. Die Situation in Libyen bewies einmal mehr, dass die Langzeitwirkung von Rüstungstransfers nicht bedacht wird: Als es in Libyen zum Aufstand kam, setzte der Diktator die von Europa gelieferten Waffen auch ein.
Guido Westerwelle empörte sich: »Dieses Regime schlägt in Libyen wie wahnwitzig um sich, es führt einen Krieg gegen das eigene Volk. Das kann nicht hingenommen werden.«
Dazu sei angemerkt: Es ist nicht so ungewöhnlich, dass Diktatoren gegen ihr eigenes Volk mit Waffengewalt vorgehen.
Deutsche Waffenhändler zeigten sich entsetzt von dieser unerwarteten Entwicklung, die einen ganzen Wirtschaftszweig in Misskredit bringen könnte. In Ägypten, hieß es, seien die deutschen Waffen offenkundig unsachgemäß eingesetzt worden. Ein verzweifelter und weinender Waffenhändler versicherte, es sei vereinbart worden, dass die Gewehre nur dazu benutzt werden dürfen, um das Couscous umzurühren oder sich am Rücken zu kratzen.
Während die Politiker des Westens lautstark Menschenrechte einforderten, wurde bekannt, dass der Ausfall der libyschen Ölproduktion ausgerechnet von der absolutistisch regierten Religionsdiktatur
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