Lallbacken
Möglichkeit, beruflich voranzukommen, nicht die Rede. Wie man das Erschossenwerden attraktiv gestalten und als zukunftsträchtige Chance präsentieren konnte, war wohl der im soldatischen Bewusstsein grassierenden Geisteskrankheit geschuldet.
Die Auslandseinsätze der neuen Wehrmacht begründete Lallbacke de Maizière mit Deutschlands Verantwortung in Nato, EU und UNO sowie mit Deutschlands »Ressourcenabhängigkeit als Hochtechnologiestandort und rohstoffarme Industrienation«. Deswegen sei der Einsatz von Streitkräften im Ausland immer auch ein Instrument der Außenpolitik. Damit gestand der Minister ein, dass er bereit war, Soldaten zu wirtschaftlichen Zwecken in Lebensgefahr zu bringen. Seine salbungsvollen Appelle an »Ehre« und »Verantwortung« erschienen dadurch in ziemlich schrägem Licht.
Der Bayerische Rundfunk berichtete über eine Unterrichtsstunde in einem bayerischen Gymnasium: Viele Schüler fragten, was deutsche Soldaten denn im Ausland zu suchen hätten, aber am Ende seines Besuchs, sagte der Offizier, hätten die meisten Schüler kapiert: Was die Bundeswehr im Ausland tut, ist richtig und wichtig, denn: »Neunzig Prozent eines Edelmetalls, nämlich Coltan, wird zur Zeit im Kongo gefördert, und unsere Chip-, Computer- und die ganze Siliziumindustrie ist wesentlich abhängig von diesem Material. Wenn ich dann frage, wer von euch hat ein Handy, melden sich alle und heben den Arm. Und dann verstehen sie auch, wie hier Sicherheitspolitik mit Wirtschaft zusammenhängen kann.«
Früher hieß es: Gefallen für Kaiser und Vaterland. Aber »für Handy und Dax« ist auch okay.
Über die Intelligenz von Soldaten konnte man immer schon nur spekulieren. Aber es lohnte nicht – sie war von Fall zu Fall relativ relativ. Die Zeitung El País in Madrid berichtete, in Spanien habe man die Anforderungen an die Intelligenz von Rekruten drastisch gesenkt. Jetzt reicht ein IQ von siebzig, bisher musste ein Rekrut wie Marcel wenigstens einen von neunzig beibringen. Der Durchschnittswert des IQ bei jungen Menschen beträgt hundert. Ein IQ von siebzig ist das absolute Minimum – wer weniger aufbringt, läuft Gefahr, weggesperrt zu werden.
Welcher Wert genügte, um in Deutschland Verteidigungsminister werden zu können, wurde nicht mitgeteilt.
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Familienministerium: Eine wirklich gute Mutter hat doch keine Kinder
Sieben Frauen saßen im zweiten Kabinett von Gerhard Schröder – die Bundesregierung war also feminin wie nie, aber nicht feministisch. Man hatte nicht vergessen – der Feminismus hatte viel Unheil angerichtet im Land: Weil Frauen glaubten, sich unbedingt selbst verwirklichen zu müssen, und sogar Abtreibungen in ihre Lebensplanung einbezogen, war ein Loch im Rententopf entstanden, hatten sich die hohe Frauenarbeitslosigkeit, die Verblödung der Schulkinder, die wachsende Gewalt unter Jugendlichen und der seelisch und körperlich deformierte Mann entwickelt. Dieser Feminismus der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war zu Anfang des neuen Jahrtausends ästhetisch und weltanschaulich bei den Girlies, den Mädchen in der Verkleinerungsform, gestrandet, es gab ein Rollback zum Schmollmund und eine Renaissance der Stehpisser.
Das deutsche Volk besann sich also wieder auf seine Traditionen: Deutsche Frauen sollten deutsche Kinder bekommen und mit ihnen nach dem Mittagessen Schularbeiten machen, sie sollten ihre alten Schwiegereltern füttern und säubern, sie sollten im Beruf flexibel bleiben, quengelnde Kinder ruhigstellen, pünktlich das Abendbrot auf den Tisch bringen und gefälligst so aussehen, dass man am Strand der Dominikanischen Republik nicht unangenehm auffiel. Und bescheiden sollten sie auch sein. Befürchtungen, die sozialdemokratisch-grüne Regierung werde die Gesellschaft reformieren, Freiheit und Gleichheit zwischen den Geschlechtern und Chancengleichheit im Arbeitsmarkt durchsetzen und der Wirtschaft Vorschriften machen, weil man sich nicht auf ihre Freiwilligkeit und ihren guten Willen verlassen konnte, mussten von der Regierung entschlossen ausgekontert werden.
Dafür traten sieben Frauen an: Edelgard Bulmahn suchte Universitäten heim, Renate Künast züchtete Bauern, Heidemarie Wieczorek-Zeul nahm afrikanische Babys auf den Arm, auch wenn die dagegen protestierten, Brigitte Zypries vertrat Herta Däubler-Gmelin, Christina Weiss eröffnete Ausstellungen, Ulla Schmidt kämpfte für die Anerkennung der Artikulationsschwierigkeiten im Raum Aachen als eigenständige Sprache,
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