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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Stadt, Hufe und Räder wirbelten Staubwolken von der ungepflasterten Straße hoch und warfen einen weichen Schleier über die schroffen Umrisse der Stadt.
    Aleytys wischte sich mit dem Tuch über das Gesicht, um für ein paar Sekunden das Gemisch von Schweiß und Staub wegzuscheu-ern; wie Nesseln brannte es auf ihrer Haut. „Was für eine Scheiße.”
    „Bald vorbei.” Stavver rieb pedantisch über seine Arme und blickte finster auf den Mob hinunter, der sie umgab. „Wir könnten mit ein paar Leibern weniger auskommen.”
    Aleytys lachte, bedauerte es jedoch sofort, als der mehlige Staub in ihren Mund quoll. Sie spuckte aus, dann noch einmal. „Phahh! Ich kann dich verstehen. Wir verlieren uns buchstäblich unter ihnen.”
    „Ich wäre mit einer dünneren Decke zufrieden.” Er stibitzte das Tuch von ihrem Schoß und rieb damit über sein Gesicht. „Ich habe Loahn schon eine ganze Zeitlang nicht mehr gesehen. Hast du ihn irgendwo hingeschickt?”
    „Du hast geschlafen. Er ging voraus, als wir noch dort unten waren
    - um uns einen guten Lagerplatz zu besorgen. Ich habe ihm Olelo mitgegeben, um ihn aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Seine Stoppelhaare könnten jemanden auf die Idee bringen, ihn als Ausgestoßenen zu töten.”
    „Mhhmm.”
    Ein Mann hoch zu Pferd trabte vorbei, blickte sie neugierig an und verschwand dann in der Staubwolke. Langsam, in einem schmerzlich langgezogenen Vorwärtskriechen, wand sich die Reihe der Wagen, klagenden Herden und Karawanen den Hügelhang hinauf. Der Lärm war entsetzlich.
    Die massigen Mauern ragten höher und höher empor, je näher sie an sie herankrochen.
    „Gewaltig.” Aleytys hob ihre Brauen. „Und wir vier sollen darum herumkommen?”
    Stavver schüttelte den Kopf. „Die Schwierigkeiten liegen nicht in diesem Haufen Steine.” Er beugte sich vor, und seine Blicke versuchten, den wirbelnden Staub zu durchdringen. „Der Haken ist die hinter diesen Mauern verborgene elektronische Ausrüstung. Die Abtaster am Tor werden alles, was an ihnen vorbeikommt, auseinandernehmen. Deshalb habe ich mein Handwerkszeug in Maissas Vryhh-Kiste untergebracht. Eine Spur davon …” Er lachte, spuckte dann seinerseits aus und knurrte vor Abscheu.
    Aleytys starrte fasziniert auf das hoch aufragende Tor. Dann schüttelte sie ihren Kopf. „Alles, was komplizierter ist als eine Armbrust, läßt meinen Kop fschmerzen.”
    „Überlaß das mir, Bergmädchen. Das ist meine Angelegenheit.
    Ihretwegen bin ich hier.” Er gähnte, hielt eine Hand vor seinen Mund, streckte sich dann und stöhnte. „Es dauert mindestens noch eine Stunde.”
    „Ahai, Miks, sieht eher nach einem Jahr aus.”
    Er sah zur Sonne hinauf. „Da wir den Aufstieg bei Sonnenaufgang begonnen haben, kann es nicht mehr so lange dauern.”
    „Das Ding scheint so nahe zu sein und ist doch noch so weit weg
    …” Sie runzelte die Stirn, dann nickte sie mit dem Kopf zum nachfolgenden Wohnwagen hin. „Maissa. Wie nimmt sie die Kriecherei auf?”
    „In ihrer Verwöhntheit ähnelt sie einer Katze, aber falls nötig, kann sie alles ertragen - und vorausgesetzt natürlich, es hilft ihr, das zu bekommen, was sie haben will. Mit ihrer Laune wird es nicht zum besten stehen.” Er gluckste. „Nicht, daß man sich jemals darauf verlassen könnte.”
    Aleytys blickte finster auf die hin und her zuckenden Schweife der Pferde. „Jetzt weiß ich, was du damals gemeint hast, als du | sagtest, sie sei unberechenbar. Sie ist verrückt.”
    „Nein.”
    „Wie?”
    „Sie ist schon in Ordnung. Ihre Werte stehen in einem weiten Winkel schräg zu den unseren. In manchen Gesellschaften ist das die Definition von Wahnsinn. Aber …”
    „Das möchte ich meinen.”
    Stavver schüttelte den Kopf. „Auf Immat’kri töten die Kinder alle, die ein bestimmtes Alter erreicht haben - und essen sie mit Zärtlichkeit und Liebe.”
    „Zärtlichkeit!”
    Seine Blicke klebten an ihr fest, sein Rückgrat wölbte sich zu einem lässigen Bogen, als er sich gegen die Sitzlehne lümmelte. „Es ist ihre Art. Würde man geistige Gesundheit nach sozialen Normen beurteilen - wärst du in dem Fall etwa normal?”
    Er nickte zu den staubigen, anonymen Gestalten hin, die sich ringsum drängten. „Selbst hier. Wenn du keine Gikena wärst, müßtest du verrückt sein, wenn du erwarten würdest, ein Mann würde Notiz von dem nehmen, was du gerade denkst. Maissa arbeitet mit einem Höchstmaß an Erfolg, der den minimalsten Schaden in der Gesellschaft

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