Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
suche Vrithian, um mich selbst zu finden. Eine Heimat.” Sie rückte von ihm ab, wandte sich herum, um ihn anzusehen, nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. „Seit meiner Geburt war ich überall nur eine Fremde. Sag mir nicht, daß ich auch da nicht hinpasse.”
    Er zog ihre Hände herunter, sein Gesicht war zu einer harten Maske erstarrt. „Vergiß es. Dreh dich um, damit ich dir die Sonden aus dem Haar nehmen kann.” Dieses Mal gab es keine schnellen, zärtlichen Berührungen. Seine Hände arbeiteten zügig, pflückten die winzigen Instrumente weg. „Geh zu Bett. Ich werde noch mindestens zwei, drei Stunden daran arbeiten müssen.” Mit einem kalten Klumpen im Magen rutschte Aleytys von der Pritsche. Er bestrafte sie. Diese sensible Ader in ihm wand sich unter der Verletzung, die sie ihm zugefügt hatte. Obwohl er klar und nüchtern genau wußte, daß er die Verantwortung für eine Frau und ein Baby nicht wirklich übernehmen wollte, für ein Baby obendrein, das nicht einmal sein eigenes war, ließ ihn die Abfuhr innerlich bluten. Bis er es überschlafen hatte, würde sie in einer Art von Isolierung allein gelassen sein.
    Schweigend löste sie das Batiktuch und schüttelte es aus. Schweigend faltete sie es zusammen und legte es in eine Schublade zu den anderen. Sie legte sich hin, zog die leichte Decke über sich und lag da und sah ihm zu, wie er die Schaltkreise löste und die Informationen abrief; Zahlenketten ließen Lichtflecken über sein angespanntes Gesicht flackern. Erschöpft von der Flut der Ereignisse dieses Tages gähnte sie und riß ihren Blick los. Minuten später war sie tief eingeschlafen.
    3
    „Si’a Gikena.”
    Aleytys sah von dem quadratischen Lederstück auf, das sie soeben neben der Hintertreppe des Wohnwagens ausbreitete. Pukis besorgtes Gesicht schwebte über ihr; der volle Mund verkniffen, eine schwache Kummerfalte zwischen den sanft geschwungenen Augenbrauen.
    „Reich mir das Kissen, sei so lieb.” Aleytys warf das karmesinrote Samtkissen auf das Leder und wandte sich dem Mädchen zu. „Was ist los, Puki?”
    Das Mädchen fiel auf die Knie und preßte die Handflächen vor dem Gesicht zusammen. „Si’a Gikena, bist du als Gikena nach Karkys gekommen?”
    Stumm sank Aleytys auf das Kissen hinunter. „Ich sitze auf dem Leder und warte.”
    Ein strahlendes, breites Lächeln erhellte das zierliche Gesicht; Pukis Hände fielen auf die Knie herunter. „Die Schwester der Frau vom Bruder meines Vaters ist mit der Hoffnung nach Karkys gekommen, die Karkiskya würden sie mit ihrer Magie heilen. Etwas, das ihr Schmerzen bereitet und sie nicht essen lassen will, wächst in ihrem Bauch. Sie hat einen Poaku mitgebracht, um den Dienst zu erkaufen, aber der Schmerz hat sie so schwach gemacht, daß sie nicht zu ihnen gehen kann, und sie werden nicht zu ihr kommen.”
    „Und?”
    „Bitte, könntest nicht du sie heilen, Gikena Lahela?” Sie streckte eine Hand aus; ein tiefgrüner Stein lag auf der Handfläche. „Jene, von der ich spreche, hat mich gebeten, dir dies zu geben.”
    Aleytys nahm den Poaku an sich. Während sie ihn immer wieder drehte, bestaunte sie die reine, sinnliche Freude, die allein durch die Berührung der pseudoweichen, seidigen Oberfläche des schweren, festen grünen Steins hervorgerufen wurde. Im Tiefrelief war eine streng spärliche, beinahe abstrakte Darstellung zweier Pferdeköpfe eingraviert, deren Hälse zusammenliefen, die Mähnen wehten in einer angedeuteten Brise, eine Schöpfung aus Linien und Vertiefungen, um die Augen so gründlich zu verzaubern wie das Gefühl die Fingerspitzen verhexte. Aleytys’ Finger glitten weiter über den Stein; nachdenklich starrte sie zu den öden Türmen des Karkiskya-viertels hin, wünschte den Stein zu besitzen, bis ihr Herz vom Schmerz des Verlangens weh tat, nicht willens, ihn aus ihren streichelnden Fingern zu geben.
    Olelo kam die Stufen heruntergehastet und setzte sich neben ihre Füße, wandte ihr sein Gesicht zu, ein kleiner, weicher Fleck Wärme, sein Kopf zurückgelehnt, so daß die Blicke seiner strahlenden Augen, so schwarz, daß sie nur Pupille zu sein schienen, mit einer Spur belustigten Argwohns auf sie geheftet waren.
    Zögernd gab Aleytys dem Mädchen den Poaku zurück. „Dies ist nicht nötig”, sagte sie langsam. „Der Poaku ist eins mit deiner Sippe. Nicht nötig, so viel zu opfern für einen kleinen Augenblick meiner Zeit. Ich werde jetzt mit dir kommen.” Sie blickte sich rasch um, entspannte sich aber

Weitere Kostenlose Bücher