Lamarchos
gefangennehmen?”
„Pah!”
Maissa riß den Mund auf, unfähig, das Gehörte richtig zu verdauen.
„Unsinn.” Aleytys kicherte. „Beruhige dich. Gewohnheiten.
Tchah. Diese Leute wissen, daß ich eine Gikena bin. Egal, was ich tue
- es ist meine Gewohnheit. Ahai, Maissa, beruhige dich, bevor du es bist, die die Tarnung platzen läßt.”
Maissa funkelte sie an, dann stampfte sie aus dem Wohnwagen; ihre Nerven waren so straff gespannt, daß ihr Körper selbst dann zu zucken schien, wenn sie stillstand.
Aleytys rutschte von der Pritsche und lehnte sich vor, um sie weggehen zu sehen. Dann seufzte sie und zog die schweren Planen zu.
Die Ringe klirrten über die Stange; Stavver knurrte im Schlaf, veränderte leicht seine Stellung, was Aleytys beinahe dazu brachte, sich über ihn zu beugen. Aber sein Atmen wurde regelmäßig. Sie seufzte, kräuselte Sharls Haare. Er murmelte im Schlaf, dann war sein Atmen wieder weich und langsam. „Was für eine anregende Gesellschaft ihr seid, meine Lieben.”
Sie streckte sich auf der Matratze aus und starrte zur bemalten Decke hinauf; ihre Hände hatte sie unter ihrem Kopf verschränkt. Sie machte die Übungen, die Körper und Geist entspannten, sank in die tiefe Halbtrance, in der sie die kriechenden Ranken des Diademeinflusses berühren konnte. Die verschwommene, unge-wisse Gegenwart wurde auf sie aufmerksam.
„Ich grüße dich, Begleiter in meinem Kopf.” Sie ließ die Worte langsam, glatt über die stille Oberfläche in ihrem Verstand dahinfließen; die Oberfläche ein tiefes, schwarzes Becken, kühl und ruhig, unveränderlich und vage. Im Wasser schwimmend, öffneten sich Geisterbildnisse von Bernsteinaugen, verblaßten dann, öffneten sich wieder und verblaßten erneut. Enttäuschung kribbelte in ihr. Die schwarze Wasseroberfläche zerfiel. Spannung verhärtete ihre Halsmuskeln.
Sorgfältig beruhigte sie ihren Pulsschlag, ließ das schwarze Becken sich wieder bilden.
„Mach das nicht.” Sie ließ kleine Lachträller wie gewundene rosa Bänder die behutsamen Worte umrahmen. „Ich brauche deine Hilfe.”
Die Worte flossen ab, und das Wasser beruhigte sich wieder. Bernsteinfarbenes Licht flackerte auf und verschwand. „Gut.” Hundert langsame Herzschläge lang blieb sie still, hielt ihren Körperrhythmus langsam und eindringlich, bis die Luft, die Erde, ganz Lamarchos mit ihr vereint pochte.
„Ich brauche dich.” Auf der Spiegeloberfläche des schwarzen Wasserbeckens trieben die Worte vorübergehend, dann lösten sie sich auf.
Das Bernsteinlicht kehrte zurück. Und mit ihm - ganz am Rande ihres Bewußtseins - die schwache Wahrnehmung eines Gefühls von Neugier. „Stavver begibt sich heute nacht in Gefahr. Ich fühle, daß er sich längst aus diesem Schlamassel verzogen hätte, wenn es nicht um mich gehen würde.” Sie ruhte wieder aus, lag auf der schwellenden Brust der Welt. „Ich möchte mit ihm hineingehen, aber nur, wenn ich behilflich sein kann. Diese Sache, die du vollbringst, wenn du die Welt anhältst… Wenn wir in Schwierigkeiten kommen - würdest du das für uns tun? Für uns beide?”
Sie wartete. Nach einer Zeit, in der sie mit all ihren Sinnen lauschte, flackerte das Bernsteinlicht kurz auf, und sie spürte eine ferne Empfindung … Einwilligung, wie ein Ja, das in das Antlitz eines Sturmes geflüstert wurde.
„Madar segne dich, Begleiter. Aber da kommt mir noch ein Gedanke …” Wieder gab sie den Worten Zeit zu sinken. Ein Hauch von Neugier flatterte um die Ränder ihres Verstandes. „Ja. Ich weiß so wenig über dich. Könntest du uns warnen, wenn ein Karkiskya in unsere Nähe kommt? Oder wenn wir in Schwierigkeiten zu kommen drohen?” Sie zögerte, bemühte sich, die Frage so zu formulieren, daß sie so etwas wie eine bedeutungsvolle Antwort aus den fragmentarischen Eindrücken wringen konnte, die das einzige Mittel ihres Kontaktes mit dem Diadem waren; dadurch löste sie sich ein wenig aus ihrem Trancezustand. „Könntest du mich -irgendwie - warnen, wenn jemand kommt?”
Während sie dalag und ihre Sinne auch für die allerschwächste Rührung offenhielt, das langsame Pochen des sich in ihrer Brust zusammenziehenden und wieder öffnenden Muskels noch langsamer werden fühlte … spürte sie die Pulsschläge, zählte sie, einhundert . .
. zweihundert… ein Angstschock riß ihren Körper hoch, plötzlich stand sie zitternd und orientierungslos neben der Pritsche. „Ahai, Madar!” keuchte sie.
Sharl lag auf dem Rücken
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