Lamarchos
wackligen Bank saß, den Rücken gegen einen Baumstamm gestützt, dessen lose, zerbröckelnde Rinde wie trockenes Papier im Wind knisterte. „Du sagst, die Horde käme aus dem Süden. Horde?”
„Mhmm, ja. Leyilli ist ihren Vorreitern in die Hände gefallen.”
Aleytys kniff die Lippen zusammen und kämpfte die Furcht nieder, die wie Säure an ihr fraß. Sie stellte den Becher ab und verlagerte sich auf die Knie. Während sie einen Flecken Erde glättete, sagte sie: „Loahn. Komm hierher. Schreibe das Zeichen für Horde.”
Er warf ihr einen verwunderten Blick zu, umrundete das Feuer und kniete sich neben sie. Er zeichnete das Schriftzeichen zögernd; mit einem zufriedenen Knurren vollendete er es.
„Ich dachte es mir.” Mit nervöser Energie rieb sie ihre Hände über die Linien, wirbelte Staub auf. Die beiden Männer starrten sie vor lauter Verwunderung finster an, und sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, den Blick über den niederen Rand der kleinen Hügel, auf die ansteigenden Wellen der Bodenerhebungen gerichtet. „Das ist die dritte Aufgabe”, murmelte sie. „Die dritte. Mein Gott…” Sie nahm den Becher auf und trank den Rest des lauwarmen Tees aus. „Loahn, deine schwachsinnigen Lakoe-heai verlangen, daß ich die Horde aufhalte. Die Horde. Wie viele Männer?”
Loahn berührte ihre Schulter. „Gikena?”
„Wie viele?” wiederholte sie ungeduldig; seine Hand stieß sie weg.
„In der Horde. Wie viele?”
„Männer, Frauen, Kinder … Mehrere tausend … Sagen wir …
Mhhmm … Fünf- oder sechstausend.”
„Madar!” Sie stocherte mit ihrem Zeigefinger in der Erde herum, dann schnippte sie kleine Erdkrumen in die Luft. „Und ich soll sie aufhalten?”
„Sie aufhalten?” Loahn federte ruckartig hoch, funkelte auf sie hinunter. „Unmöglich. Eine Frau? Lächerlich. Du mußt sie falsch verstanden haben. Es muß ein Fehler sein.”
„O nein, Loahn.” Ihr Lachen gluckerte mit schockierender Lautstärke in die angespannte Atmosphäre. „Nein. Das ist genau das, was ich zu tun habe.” Ohne sich um seine Proteste zu kümmern, stand sie auf und lehnte sich an den Wohnwagen, wobei sie die Stirn auf ihre gekreuzten Arme stützte, den Rücken zum Feuer gewandt; so schloß sie sowohl Loahns lautstarke Tiraden als auch Stavvers sardonisches Schweigen aus.
Loahns Hand legte sich auf ihre Schulter, aber Stavver zog ihn zurück. „Laß sie in Ruhe.”
Loahn funkelte den großen, hageren Mann an. „Wenn sie dir gleichgültig ist…”
Stavver ohrfeigte ihn mit der flachen Hand und sprang zurück.
„Laß es bleiben, Junge”, flüsterte er.
Loahn schob den Mund mit einem harten Lächeln vor und fauchte: „Ich habe keine Angst vor dir, alter Mann.”
Stavvers Lippen teilten sich, zeigten die Zähne. „Also komm, Junge.” Er sprach das letzte Wort gedehnt aus, verwandelte es so in eine Beleidigung.
Loahn knurrte tief in der Kehle, umkreiste Stavver; dann, als er glaubte, eine Lücke in dessen Deckung zu sehen, sprang er vor. Im gleichen Augenblick fand er sich hilflos auf dem Boden ausgespreizt, Schmerz blitzte durch seinen Körper. Stavvers Gesicht hing über ihm.
Stavvers Lachen verspottete ihn. „Junge …”
„Schluß damit, hört auf, ihr beiden!” Aleytys stellte sich zwischen sie. „Da wir gerade von Dummheit reden! Was versucht ihr zu beweisen? Du, Miks. Mein Gott, du weißt, daß ich dich mag. Aber ich gehöre dir nicht. Ich gehöre niemandem. Und du, Loahn.” Sie sah zu, wie er steif auf die Füße kam. „Was, zum Teufel, fällt dir ein. Ich, ich gehe dich nichts an. Nichts!” Ihre Hände ruckten vor, sie war fast atemlos vor lauter Zorn. „Dummkopf. Einen Mann anzugreifen, der vom Kämpfen mehr vergessen hat, als du je gelernt hast! Ihr beide habt vergessen, daß ihr denkende, vernunftbegabte Wesen seid!
Benehmt euch wie zwei brünstige Großhörner. Ich werde entscheiden, was ich tun werde. Ich. Nicht du, Miks.” Sie seufzte. „Wenigstens hast du nicht versucht, mein Leben zu bestimmen. Danke. Und jetzt du, Loahn. Hast du vergessen, daß Maissa mein Baby hat?
Glaubst du, ich würde es im Stich lassen?”
Loahn verbeugte sich kurz vor ihr, dann vor Stavver. „Ich bitte um Verzeihung”, murmelte er. Schwer atmend schritt er zum Feuer hinüber, wickelte das Filzquadrat um den Griff der Teekanne und kippte etwas von der heißen Flüssigkeit in seinen Becher. Als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesicht gelassen.’,: „Noch jemand?”
Stavver knurrte.
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