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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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beobachtete, wie er ein Lunchpaket auspackte und ein Schinkensandwich aß.
    Seit diesem Tag hatte ich für niemanden mehr geschwärmt.
    Der letzte Reel auf der CD ging zu Ende, und eine liebliche, traurige Ballade begann, eines meiner Lieblingsstücke – »If I Was a Blackbird«. Während ich mitsummte, erkannte ich auf einmal die Melodie. Oh. So viel zu meiner magischen Fähigkeit der Improvisation. Meine Gegenstimme von vorhin war nicht genau dieselbe wie die Melodie, die gerade aus dem CD-Player kam, aber ziemlich nahe dran. Ich hörte genauer hin, als die Band den Vers wiederholte. Okay, dieser Teil nicht. Aber da. Moment. Diese Töne? Und die vielleicht auch? O ja. Schmerzlich wurde mir bewusst, woher meine Inspiration gekommen war.
    Ich seufzte schwer, obwohl ich in gewisser Weise erleichtert war. Wenn es eine plausible Erklärung für meine plötzliche Improvisationsfähigkeit gab, dann gab es vermutlich auch eine für Luke. Denn es war nun mal eine Tatsache, dass Menschen
nicht
einfach aus Träumen in die Wirklichkeit hinüberspazierten. Bestimmt hatte ich ihn von irgendwoher wiedererkannt – so wie er Flöte spielte, war er vielleicht in einem Orchester, das ich schon mal gesehen hatte. Ich wusste nichts über ihn, nur dass er süß war, Querflöte spielte und sich für mich interessierte.
    Aber war alles andere überhaupt wichtig?
    Na ja, wie er plötzlich einfach im Mädchenklo aufgetaucht war …
    »Deirdre!«, rief Mom. »Hast du dir etwas ausgesucht?«
    Ich stand auf und starrte einen Moment lang den CD-Player an, ehe ich ihn ausschaltete. »Ja!«, rief ich zurück. »Gerade eben.«
     
    Als ich zum Empfang in die Schule zurückkehrte, war ich froh, dass ich keinem von Moms Vorschlägen gefolgt war. Natürlich war niemand in Jeans erschienen, aber es trug auch keinerirgendetwas im Stil des kleinen Schwarzen, das sie vorgeschlagen hatte. Mein hellblaues Sommerkleid und die weißen Riemchensandalen waren genau das Richtige, und der Nackenträger brachte meinen Hals und meine Schultern zur Geltung, nur für den Fall, dass Luke tatsächlich auftauchen sollte.
    »Ich hasse es, wenn diese Veranstaltungen im Freien stattfinden«, sagte Delia laut, als sie vom Gehsteig trat und ihr spitzer Absatz fünf Zentimeter tief im Gras versank. »Gott sei Dank haben sie zumindest Kammermusik. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste mir irgendetwas Scheußliches anhören, wie diesen Dudelsack vorhin.«
    Ich war völlig anderer Meinung. Nichts war schlimmer, als mit hundert fremden Leuten in einem Raum eingesperrt zu sein, in dem es nach Teppichreiniger stank. Stattdessen schlenderten Schüler, Eltern, Lehrer und Juroren zwischen den großen weißen Zelten mit dem Büfett und dem Kammermusik-Quartett herum. Das Essen roch köstlich und erinnerte mich an Samstagabende zu Hause. Und die heiße Sommerluft war einer kühlen Brise gewichen, als die Sonne sich den Baumwipfeln zuneigte.
    »Was
riecht
hier nur so?«, fragte Delia laut. Wie gemein von ihr. Sie wusste haargenau, dass Moms Catering-Firma für das Essen verantwortlich war. Dad bezeichnete Delia immer als »meine am wenigsten liebe Schwägerin«. Das war natürlich witzig gemeint, denn Delia war Moms einzige Schwester. Aber ich gab ihm recht. Delia war arrogant und herablassend, und ich konnte sie nicht leiden.
    »Dee, du hast es überlebt!« James kam auf mich zu und zögerte kurz, als er Delia bemerkte. »Oh, ich habe nicht gemerkt, dass du nicht allein bist.«
    Delia ließ den Blick über seinen Kilt, sein zerzaustes Haar und seine vollgekritzelten Hände wandern.
    »Sie sind der Dudelsackspieler, stimmt’s?«, fragte sie mit eisiger Stimme.
    James lächelte bestimmt. Er hatte sie bereits als Dudelsack-Hasserin identifiziert. »Ja, aber ich tue das gegen meinen Willen. Die Aliens zwingen mich dazu.«
    Delias Lächeln war frostig. Sie fand seine Antwort nicht im mindesten komisch.
    »Das ist James, Delia. Er ist dieses Jahr zweitbester Dudelsackspieler von ganz Virginia geworden«, sagte ich.
    »Bald bin ich Nummer eins«, erklärte James mit charmantem Lächeln. »Ich habe einen Killer angeheuert.«
    Delia verzog keine Miene.
    James und ich wechselten einen Blick. »Tja, es war nett, Sie kennenzulernen. Ich gehe lieber mal nachsehen, ob sich das Essen einsam fühlt.«
    Ich winkte ihm nach, als er den Rückzug antrat, und formte das Wort
später
mit den Lippen. Delia runzelte finster die Stirn. »Was für seltsame Leute immer zu solchen Veranstaltungen kommen.

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