Lamento
zu. Er schaute zu. »Sie ist ziemlich grässlich, was?«
»Die Art Tante, die man in Märchenbüchern findet«, erwiderte ich. »Sofern im Märchen böse Tanten vorkommen. Sie und meine Mutter haben sich nie gut verstanden.«
Selbst von hier aus konnte ich Delias laute Stimme hören, während sie jemandem erzählte, Mom hätte in ihrer Jugend durchaus Talent gehabt, aber nie etwas damit angefangen.
Miststück
, dachte ich boshaft.
»Ich habe gerade etwas sehr Boshaftes über ein Familienmitglied gedacht«, gestand ich.
Luke beugte sich vor, so dicht, dass mir sein leichter Moschusduft in die Nase stieg – er roch so ganz und gar nicht nach irgendwelchen Kräutern und schon gar nicht wie irgendein Highschool-Junge, den ich je gerochen hatte. »Hat das Wort mit M angefangen? Das habe ich auch gerade gedacht«, flüsterte er.
Ich lachte, leider so laut, dass Delia zu mir herüberschaute. Sie winkte mich zu sich, aber ich tat so, als blickte ich an ihr vorbei zum Catering-Zelt. »Schnell. Tu so, als würdest du mir etwas zeigen, damit ich so tun kann, als hätte ich sie nicht gesehen.«
Luke legte mir eine Hand auf die Schulter und deutete mit der anderen in den Himmel. »Sieh nur, der Mond.«
»Etwas Besseres ist dir nicht eingefallen?«, schnaubte ich.Dennoch betrachtete ich die blasse, geheimnisvolle Scheibe am abendlichen Himmel. Und wieder hatte ich dieses Gefühl, ihn ewig ansehen zu können, bis mir wieder einfiel, warum ich ihn betrachten wollte. »Aber er ist wirklich schön, nicht?«, sagte ich leise.
Ich glaubte zu spüren, dass er nicht den Mond ansah, aber er bestätigte: »Sehr schön.«
»Das hört sich vielleicht dumm an, aber – er gibt mir so ein komisches Gefühl«, fuhr ich fort, ohne den Blick vom Mond abzuwenden. Genau wie Luke mir ein komisches Gefühl gab.
»Das liegt daran, dass er aus der Nacht kommt. Die Nacht hat ihre Geheimnisse.«
Auch Luke hatte seine Geheimnisse, richtig? Geheimnisse, von denen wir beide so taten, als existierten sie nicht.
»Sehr poetisch.«
»Ich kann durchaus dichterisch sein, wenn ich will. Ich bin eine sehr komplexe Persönlichkeit. Genau wie du habe ich verborgene Tiefen.«
Ich senkte den Blick. »Ach, du meinst also, ich hätte verborgene Tiefen? Wie süß von dir.« Sein Blick wanderte zu einem Punkt unmittelbar hinter mir. Ich drehte mich um.
Eine große, blonde Frau kam mit eleganten Schritten auf uns zu. Sie war lieblich wie eine Osterlilie, mit hellem Teint, wunderschönen blauen Augen und einem makellosen, schneeweißen Hals. Mit einem Mal kam ich mir in meinem Kleid schäbig vor.
»Eleanor«, begrüßte Luke sie mit ausdrucksloser Miene.
»Luke. Wie reizend, dich wiederzusehen.« Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, küsste ihn auf die Wange und strich mit dem Zeigefinger über sein Kinn. Ich wandte den Blick ab. »Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.«
»Ja.«
»Du bist heute Abend aber nicht besonders gut gelaunt?«, bemerkte Eleanor. »Ich hätte erwartet, dass du bei so viel guter Musik im Himmel schwebst.«
Luke antwortete nicht.
»Vor allem bei Ihrer Musik, Deirdre. Sie haben wunderschön gespielt. Wir waren
alle
hingerissen.«
Als ich meinen Namen hörte, blickte ich auf und wurde von ihrem strahlenden Lächeln geblendet. Doch so schön sie auch sein mochte – das war nur eines von vielen Komplimenten. »Danke. Luke hat mir sehr geholfen.«
Eleanor wandte sich lächelnd an Luke, der immer noch mit dieser seltsam ausdruckslosen Miene dastand. »O ja, Luke hilft immer gern.« Sie lächelte ihn an. »Luke, mein Lieber, du hältst wohl nichts von Smalltalk?«
Lukes Stimme klang tonlos. »Was macht die Arbeit?«
Sie lachte. Es klang geradezu nervtötend angenehm. »Läuft
sehr
gut.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Wie geht’s der Chefin?«
Eleanor musterte ihre manikürten Fingernägel. »Ach, inzwischen ist sie eher eine Kollegin, würde ich sagen.«
»Das muss spannend sein.«
»Die Massen schätzen eben jemanden aus ihren Reihen.« Sie wies auf sich selbst. »Jemanden wie mich.«
»Wie schön für euch beide«, bemerkte Luke.
»Oh, das finde ich auch, mein Lämmchen.« Dann wandte sie sich an mich. »Sie sind bestimmt ein aufgehender Stern am Musikhimmel. Ich werde Sie im Auge behalten.«
Luke erstarrte neben mir.
»Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Deirdre. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.« Wieder strich sie Luke über die Wange. »Und wir sehen uns bald wieder, Luke.«
Als sie
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