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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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rannte die Treppe hinunter, wo ich auf den ersten Spieler der Abwehrkette traf: Delia.
    »Dieser Flötenspieler ist da. Wer ist das eigentlich?«
    Gute Frage
.
    »Luke Dillon«, sagte ich. Ich versuchte, mich an ihr vorbei in die Küche zu drücken, doch sie folgte mir mit der Kaffeetasse in der Hand. Koffein war ihre Geheimwaffe. Wenn man Delia fertigmachen wollte, musste man sie nur von ihrem Kaffee isolieren. Das würde heute Vormittag nicht schnell genug passieren, als dass es mich retten könnte.
    »Geht er in die gleiche Schule wie du?«
    Meine Lüge hätte Mom nicht überzeugt, aber bei Delia funktionierte sie. »Freunde von ihm.«
    »Er sieht recht gut aus.«
    Allerdings.
    Moms Stimme drang aus der Küche zu uns – ein weiterer Abwehrspieler. Gar nicht gut, und Delia drängte mich hinein,damit Mom mir den Rest gab. »Wer sieht gut aus?«, wollte Mom mit der Kaffeekanne in der Hand wissen. Offenbar hatte sie Delia gerade nachgeschenkt, ohne zu erkennen, dass sie damit die Macht der obersten Dämonenfürstin zementierte. Ich versuchte, zwischen den gelb karierten Vorhängen über der Spüle nach draußen zu schauen.
    »Der Flötenspieler, der gerade in der Auffahrt gehalten hat«, antwortete Delia.
    Mom wirbelte herum. »Ich habe niemanden gesehen! Er hat doch nicht etwa angeklopft, oder?«
    »Ich gehe zu ihm raus«, verkündete ich.
    Mom zeigte auf etwas auf dem Küchentresen. »Wolltest du das behalten? Dein Vater hat es gestern Abend auf deiner Harfentasche gefunden, als er sie aus dem Auto geholt hat.«
    Auf der Küchentheke neben dem Toaster lag ein vierblättriges Kleeblatt. Ebenso wie die beiden anderen, die ich bisher gefunden hatte, war es perfekt, mit vollkommen symmetrischen Blättern und kein bisschen verwelkt, obwohl es die ganze Nacht in unserer Küche verbracht hatte.
    »Da muss ich wohl nicht zweimal fragen, Deirdre.« Mom holte den Mixer aus dem Küchenschrank und stellte ihn auf den Küchentresen, zweifellos eine Vorbereitung für meinen Geburtstagskuchen. »Du könntest es in einem Buch pressen, wenn du es aufbewahren möchtest.«
    Ich
wusste
nicht, ob ich es aufbewahren wollte, aber ich nahm es trotzdem und drehte den Stengel zwischen den Fingern hin und her. Wieder spürte ich dieses seltsame Kribbeln im Magen, das ich jedoch nicht recht einordnen konnte. War es Aufregung? Angst? Hunger?
    »Ja, vielleicht.« Ich ging nach draußen zu Luke.
    Er hockte vor seinem Auto, die Augen gegen die gleißende Sonne zusammengekniffen, und betrachtete Rye, meinenHund. Trotz seiner ungewöhnlichen Farbe – schneeweißes Fell und rote Ohren – ist Rye ein typischer Jagdhund: treu, liebevoll und freundlich zu jedermann.
    Deshalb blieb ich beim Anblick seines gesträubten Nackenfells abrupt stehen. Rye lauerte geduckt im Vorgarten und hatte den Kopf so tief gesenkt, dass er kaum über die Grashalme hinausragte. Er starrte Luke an und hatte die Lefzen beinahe zu einem Knurren hochgezogen. Luke rief ihm mit sanfter Stimme etwas zu – ein hypnotischer, einschläfernder Singsang in einer Sprache, die alles Mögliche hätte sein können –, Englisch war es jedenfalls nicht.
    Luke sah mich kommen und richtete sich auf. Er trug dieselbe Jeans wie gestern, aber dazu ein dunkles T-Shirt mit V-Ausschnitt, das sein helles Haar und die Augen hervorhob. »Hallo, meine Schöne. Hübsch, hübsch siehst du heute aus.«
    Meine Wangen wurden warm. »Was machst du denn hier?«
    Er zuckte lächelnd mit den Schultern. »Ich befriedige meine Neugier.« Sein Blick fiel auf das Kleeblatt, das ich noch zwischen den Fingern hielt, und sein Lächeln verblasste. »Woher hast du das?«
    »Meine Mutter hat es gefunden. Sollen die nicht Glück bringen?«
    »Unter anderem.« Luke wies auf Rye. »Gehört der dir?«
    Sein Tonfall klang beinahe herzlich, obwohl der Hund Luke keinerlei Grund gab, ihm freundlich gesinnt zu sein.
    »Rye. Ja. Er ist uralt. Wir haben ihn schon, so lange ich zurückdenken kann, aber ich glaube, so habe ich ihn noch nie erlebt«, erwiderte ich beim Anblick seiner noch immer gesträubten Nackenhaare.
    »Sieht aus, als wäre er ein braver Hund.« Luke hatte sich abgewandt, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte,doch sein wehmütiger Tonfall entging mir nicht. »Ein kluger Hund.«
    »Das ist er.«
    Wir zuckten zusammen, als die Küchentür aufging. »Warum kommt ihr nicht herein? Es ist doch heiß da draußen!«, rief Delia. Offensichtlich stand ein Verhör an.
    Ehe ich etwas erwidern konnte, rief Luke: »Wir

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