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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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sind in einer Stunde wieder da! Wir gehen Eis essen!«
    Ich sah ihn eindringlich an.
    »Du wolltest doch gerettet werden, oder nicht?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich hatte noch gar keine Erfahrungen mit den Jungs auf der Highschool gemacht, und selbst wenn … irgendetwas sagte mir, dass sie mir bei Luke Dillon nichts genützt hätten.
    Luke zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche – kein Schlüsselanhänger, aber jede Menge Schlüssel. Bestimmt fünfzehn oder zwanzig. Mein Schlüsselbund bestand aus zwei Schlüsseln und einem Anhänger in Form eines Fischs. Ich fragte mich, ob der Schlüsselbund eines Menschen viel über ihn aussagte.
    »Lass mich nur schnell meinen Geldbeutel holen«, sagte ich.
    Luke hielt mir die Beifahrertür auf. »Du bist eingeladen. Und ich entschuldige mich für das Auto. Es sieht schlimm aus, aber die Abgase bleiben meistens draußen.«
    Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich in den alten Audi einstieg. Drinnen war es heiß und stickig, obwohl Luke gerade erst ausgestiegen war. Die Sitzbezüge waren aus diesem weichen, blauen Velourszeug, wie ich es von sämtlichen Autos meiner Großmutter kannte. Es roch nach Luke – derselbe Geruch wie gestern, als er sich zu mir herübergebeugt hatte. Bei der Erinnerung daran spürte ich wieder dieses Kribbeln im Bauch.
    Luke stieg auf der Fahrerseite ein und spielte so geschicktan den Knöpfen und Schaltern herum, wie er auch mit seiner Flöte umging. Wenig später wehte kühle Luft aus der Klimaanlage. Wieder musste ich an das vierblättrige Kleeblatt denken, das mir vorhin in die Hand geflattert war. Ich erschauerte.
    »Zu kalt?« Er drehte die Klimaanlage herunter, und als hätte er meine Gedanken gelesen, blickte er auf das Kleeblatt hinab, das ich noch in der Hand hielt. »Das brauchst du nicht.«
    Als er aus der Einfahrt zurücksetzte, legte ich es auf das Armaturenbrett und betrachtete es. »Jeder braucht Glück.«
    »Du nicht, Dee. Du schaffst das alles auch allein. Und zwar beeindruckend gut.« Am Ende der Auffahrt hielt er an, kurbelte das Fenster herunter und warf das Kleeblatt auf die Straße. »Wo gibt’s hier anständiges Eis?«
    »He, du wirfst gerade mein Glück aus dem Fenster«, protestierte ich. »Und zufällig arbeite ich in einer Eisdiele.«
    »Wie süß!« Luke zögerte. »Zu geschmacklos?«
    Ich lachte, allerdings zu spät. »Mir war nicht klar, dass du versuchst, witzig zu sein.«
    Stöhnend bog Luke nach rechts ab. »Wie schmerzlich treffen mich deine achtlosen Worte – ›
Versuchst
, witzig zu sein‹.«
    Ich grinste. »Du musst dir eben mehr Mühe geben.«
    »Zur Kenntnis genommen. Also, wie komme ich dahin?«
    »Die Richtung stimmt. Es ist ungefähr anderthalb Kilometer von hier auf der linken Seite. Dave’s Ice.«
Aber das weißt du ja schon, stimmt’s?
Ich starrte ihn an, worauf er mir einen Blick zuwarf, dem ich standhielt, bis er wieder nach vorn sah.
    »Ich erinnere mich vage daran, dass ich auf dem Weg hierher daran vorbeigefahren bin«, sagte er. »So bin ich überhaupt auf den Gedanken gekommen, dass heute ein perfekter Tag zum Eisessen ist.«
    Natürlich war es ein Tag zum Eisessen. Warum auch nicht? Mir kam der Gedanke, dass wir offenbar eine seltsame, stillschweigendeAbmachung getroffen hatten. Er tat so, als sei er völlig normal, während ich so tat, als glaubte ich das. Ich
wollte
ihm ja glauben. Aber es ging nicht. Auch wenn ich nicht recht wusste, inwiefern er nicht normal war. Ich konnte nur hoffen, dass es nichts mit Äxten, Knebeln und Kofferräumen alter Audis zu tun hatte.
    Draußen stieg die Hitze wabernd vom Asphalt auf, hing schwer in den Baumwipfeln und drückte die Blätter nieder. Nichts rührte sich bis auf die Autos, die auf der zweispurigen Straße langsam dahinrollten. Es war ein Tag, der geradezu jede Art von Arbeit verbot – der Sommer in seiner erstickenden Hochform.
    »Hier«, sagte ich unnötigerweise, als Luke auf den Parkplatz vor Dave’s Ice einbog. Es fühlte sich an, als wäre ich bereits eine Million Mal auf diesen Parkplatz gefahren. In vielerlei Hinsicht hatte ich hier mehr gelernt als in der Schule.
    Luke musterte das gedrungene Betongebäude und parkte auf einem der schattigen Plätze ganz hinten. »Warum heißt der Laden Dave’s Ice?«
    »Na ja, früher haben sie den Leuten Eis in Blöcken verkauft, damals, als es noch keine Kühlschränke gab. Früher Eis, heute eben Eiscreme. Irgendwie logisch, oder?«
    »Gefällt es dir hier?«
    Die Frage

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