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Lamento

Titel: Lamento
Autoren: Maggie Stiefvater
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Luke an und wartete auf seine Antwort, in der Hoffnung auf irgendeinen Hinweis, wovon die beiden redeten. Doch er sah meine Großmutter nur stumm an.
    »Denken Sie nicht einmal daran.« Granna trat noch einen Schritt näher. Der Anblick ließ mich an einen kleinen Schoßhund denken, der einen schlafenden Löwen ankläfft.
    »He«, wandte ich ein, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte, um diese merkwürdig angespannte Atmosphäre zu entschärfen.
    »Ich bin nur für eine Weile hier, Ma’am«, gab Luke demütig zurück, ohne mich zu beachten.
    »Gut. Dann kehren Sie dorthin zurück, wo Sie hinge hören«, befahl Granna scharf.
    »Ich bin keiner von
denen
«, erklärte er flehentlich.
    »Ich kann
sie
an Ihnen riechen. Sie stinken nach
ihnen

    Luke wandte sich niedergeschlagen zu mir um. »Ich glaube, ich kann doch nicht bleiben.«
    Wütend kehrte ich Granna den Rücken zu und verschränkte die Arme. »Du brauchst noch nicht zu gehen.«
Nur, weil Granna ihre Nase überall reinstecken muss. Sie hat alles verdorben.
Ich war so wütend auf sie, dass ich fürchtete, ich könnte etwas sagen, das ich später bereuen würde. Ich spürte ihren Blick im Rücken.
    Luke warf Granna einen Blick zu. »Ich glaube, so ist es besser. Danke, dass du mit mir Eis essen warst.«
    »Luke.«
Mir fehlten die Worte. Ich hatte nur eines im Kopf:
Verdammt noch mal, warum kontrollieren eigentlich alle anderen mein Leben?
»Geh nicht.«
    Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den ich nicht einordnen konnte, als er sich abwandte und in den Wagen stieg. Sekunden später erinnerte nichts mehr daran, dass es ihn je gegeben hatte. Ich hatte nicht einmal seine Telefonnummer. Und ich hatte keine Ahnung, warum er verschwunden war.
    Aber eine Spur hatte ich immerhin. Ich schwankte zwischen Wut und Traurigkeit, als ich mich meiner Großmutter zuwandte. »Granna, warum?«
    Sie starrte finster die Straße entlang, als hinge noch etwas von Luke in der Luft. Dann reichte sie mir das kleine Geschenk. »Das hier solltest du gleich aufmachen.«
    »Ich will aber jetzt keine Geschenke auspacken.«
    Ein freudloses Lächeln, das mich ironischerweise an Luke erinnerte, trat auf ihre Züge, während sie mir das Päckchen hinhielt. »Mach es bitte auf.«
    Seufzend stellte ich das große Paket ab und nahm das andere entgegen, riss das blaue Geschenkpapier ab und brachte ein kleines Schmucketui zum Vorschein, doch als ich es aufklappte, war das weiße Satinkissen leer. Fragend blickte ich zu Granna auf.
    Sie zog den matten Ring von ihrem Ringfinger und legte ihn in das Etui. »Der gehörte meiner Mutter, und davor ihrer Großmutter. Jetzt gehört er dir. Ich dachte mir schon, dass du alt genug bist, um ihn zu brauchen, und jetzt bin ich sicher.«
    Nein, was ich
brauchte
, war Luke, der wieder neben mir stand, und meine Großmutter, die sich ausnahmsweise einmal normal benahm. Ich betrachtete den Ring. Ich hatte ohnehin nicht viel für Schmuck übrig, aber selbst dann hätte ich diesen Ring ziemlich hässlich gefunden.
    »Äh, danke«, sagte ich mit eisiger Stimme.
    »Steck ihn an«, forderte Granna mich auf. »Du wirst mir noch dankbar sein.«
    Ich steckte ihn an den Ringfinger meiner rechten Hand, und nun war Grannas Lächeln aufrichtig. »Ich danke
dir
. Und jetzt will ich endlich aus dieser Hitze und meine überlastete Tochter und meine intrigante Tochter begrüßen.« Sie nahm das große Paket und ging ins Haus.
    Ich blieb draußen und starrte auf den Ring an meinem Finger hinab. Seltsamerweise war ich den Tränen nahe, und genau in dieser Stimmung fand James mich fünf Minuten später vor, als er in die Einfahrt bog und exakt an der Stelle hielt, wo eben noch Lukes Auto gestanden hatte.
    Er trat zu mir und nahm mich bei den Armen. »Was machst du hier?«
    »Mich herumschubsen lassen.«
    »Lass uns reingehen und darüber reden.«
    Mit Delia, Mom und Granna? »Lieber nicht.«
    Wie aufs Stichwort drang Delias laute Stimme aus dem Küchen fenster. James sah hinüber, dann wieder zu mir. »Na gut. Aber wenigstens in den Schatten?«
    Wir gingen nach hinten in den Garten. Mit angezogenen Knien lehnte ich mich an eine der mächtigen Eichen, hinter deren breitem Stamm ich vom Haus aus nicht zu sehen war. James setzte sich vor mich, so dass sich unsere Knie fast berührten, und sah mich lange und ernst an. Diese neue Seite an ihm rührte mich so sehr, dass ich um ein Haar alles erzählt hätte, was eben passiert war.
    Aber James war schneller. »Ich muss dir
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