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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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meinen Arm, der sauber war, aber offensichtlich ein wenig ramponiert wirkte. »Alles in Ordnung?«
    Er sah so normal und
sicher
aus mit seinen sommerbraunen Armen und einem T-Shirt mit dem Spruch
Sarkasmus – eine meiner vielen Dienstleistungen für Sie!
Bei seinem Anblick musste ich an all die Sommer denken, die ich je erlebt hatte, und an alles, was ich jetzt anscheinend nicht haben konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde kämpfte ich tapfer gegen meine plötzlich aufwallenden Gefühle an, ehe ich in Tränen ausbrach.
    »Hey, hey!« James setzte sich zu mir aufs Sofa und ließ michauf sein Sarkasmus-T-Shirt heulen. Er stellte keine Fragen und versuchte auch nicht, mir etwas aus der Nase zu ziehen. Genau das machte ihn zu einem so guten Freund, eine Erkenntnis, die mich nur noch verzweifelter schluchzen ließ.
    James zog mich an sich, als ich zu zittern begann, und schloss mich in seine Arme. Meine Zähne klapperten. Schließlich stammelte ich: »Ich glaube, ich stehe unter Schock.«
    Er wischte mir mit einer bekritzelten Hand die Tränen von den Wangen. »Hat das zufällig etwas mit den Bisswunden an deinem Arm zu tun? Falls du die vorher schon hattest, kann ich mich jedenfalls nicht daran erinnern. Und ich habe einen
unglaubliche
n Blick für Details.«
    Ich lachte kläglich. »Wenn ich eine Videokamera dabeigehabt hätte, als ich die abbekommen habe, wäre ich jetzt reich. Das war ein gigantisches Katzenvieh.« Ich schluckte eine neue Woge alberner Tränen herunter und erschauerte unwillkürlich. »Wann hört dieses Zittern bloß wieder auf?«
    »Wenn du dich endlich beruhigst.« Er stand auf und zog mich an meinem gesunden Arm hoch. »Komm mit. Du brauchst dringend eine anständige Portion Pommes.«
    Als ich aufstand, merkte ich, dass ich mich schon etwas besser fühlte. »Was ich brauche, ist ein übernatürlicher Elektroschocker.«
    »Vielleicht haben sie auch so was da. Ich habe mir die Tageskarte nicht so genau angeschaut.«
    »Ich muss Granna Bescheid sagen. Sie ist in ihrer Werkstatt und arbeitet an irgendwelchem Voodoozeug.«
    Wir traten in die Hitze hinaus und gingen über den mit Steinplatten ausgelegten Weg zur Werkstatt. Kräuter und lang-stielige Blumen säumten ihn, mitsamt ihrem Insektengefolge, und ich musste lachen, als James wild nach einer Biene schlug, die ihm zu nahe kam.
    »Du kreischst wie ein kleines Mädchen«, frotzelte ich.
    »Halt bloß die Klappe!«
    Grannas Stimme drang aus der offenen Tür zu uns. »Bist du das, James?«
    James folgte mir ins schummrig blaue Innere. »Ja-ha.« Trotz der drei hellen Glühbirnen und der offenen Tür, durch die Licht hereinfiel, war es nach der grellen Sonne draußen ziemlich düster. Ich blinzelte, bis sich meine Augen angepasst hatten.
    »Was führt dich denn hierher?« Granna blickte von ihrem großen Arbeitstisch auf. Sie hatte ihre Farbeimer, Pinsel und Lacke beiseitegeschoben, um Platz für ihr neuestes Projekt zu schaffen – vermutlich das Feenäquivalent zu Insektengift. Vielleicht auch nur das Pendant zu Mückenspray. Was auch immer es sein mochte, es roch durchdringend und unangenehm, als hätte jemand zu viel Lufterfrischer in einem engen Raum versprüht.
    »Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Dee Hunger hat.« James stöberte auf Grannas kleineren Arbeitstischen herum, betrachtete die mit komplizierten Mustern bemalten Holztafeln und befingerte einen großen Becher aus Stein. »Also musste ich herkommen und sie retten. Ich weiß, wo ich ein paar ordentliche gesättigte Fettsäuren für sie auftreiben kann.«
    Granna lachte. Sie mochte James. Jeder mochte James. »Es tut ihr im Moment sicher gut, wenn sich jemand um sie kümmert.« Dann zögerte sie – wahrscheinlich wollte sie herausfinden, wie viel ich James schon erzählt hatte, ehe sie fortfuhr.
    James griff nach einem Stein mit einem Loch und betrachtete Granna durch die hohle Mitte. »Wir wollen doch nicht, dass sie von irgendetwas Unnatürlichem verschleppt wird, nicht wahr?«
    Befriedigt wandte Granna sich wieder einer unschuldigenPflanze zu, die sie gnadenlos zu einer grünen Paste zermatschte. »Nein, das wollen wir nicht. Trägst du etwas aus Eisen bei dir?«
    »Nein.«
    Granna reichte ihm ihren eisernen Armreif. Er war glatt und glanzlos mit kleinen Kugeln am Ende, die sich beinahe berührten. »Das ist das letzte Stück, das ich habe. Nimm es.«
    »Ich glaube, Sie brauchen es dringender als ich.«
    Sie schüttelte den Kopf und deutete auf die Paste vor ihr. »Das Zeug

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