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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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ihren und sagte mit fester Stimme: »Ich denke, du solltest dir eine Sorte aussuchen – Eiscreme – und dann verschwinden.«
    Zu meiner Überraschung protestierte Sara nicht, sondern wich kaum merklich vor ihm zurück. Am Ende hatte sogar sie ihre Grenzen. Vielleicht witterte auch das unschuldigste Schaf einen Wolf, wenn er nur genug stank.
    Mit einem verblüffend hohen, anmutigen Satz sprang Sommersprosse auf die Theke, und Sara stieß hinter mir einen leisen Schreckenslaut aus. Er schwang die Beine über den Tresen und ließ sie auf unserer Seite herunterbaumeln. Ich wich zurück, worauf er tadelnd mit der Zunge schnalzte. »Ach, nun hab dich nicht so. Ich dachte, Luke würde seine Spielsachen gern mit mir teilen.« Er grinste mich gierig an und deutete auf den Schlüssel an meinem Hals. »Vielleicht kann ich dir ja später helfen, das da auszuziehen.« Er blickte über die Schulter zur noch gleißenden Sonne hinauf. »Schon sehr bald, denke ich.«
    »Widerling«, murmelte Sara. »Hau ab, oder ich rufe die Bullen.«
    Die Drohung schien ihn nicht zu beeindrucken. Aus der leeren Handfläche ließ er Kleeblätter auf die Theke fallen. Sie flatterten mit ihren Blättern und erhoben sich wie hübsche Schmetterlinge in die Luft, ehe sie zu Boden trudelten – schlaff und verwelkt. Sein Lächeln jagte mir einen kalten Schauer über den ganzen Körper. »Ich kann dir ein paar Sachen zeigen, die Luke nicht draufhat, meine Schöne«, säuselte er.
    »Ich dir auch.« James ließ die Tür hinter sich zufallen. »
Mein Schöner
.« James’ Aufmachung war etwas seltsam. Er hatte ein T-Shirt mit der Aufschrift
Du da – runter von meinem Planeten!
mit einer eisernen Kaminschaufel kombiniert, die er wie ein Gewehr geschultert trug – ein Accessoire, das aus irgendeinem Grund dennoch passend wirkte.
    Sommersprosse lächelte zähnefletschend, glitt von der Theke und ließ die Zunge diesmal in James’ Richtung vorschnellen. »Vielleicht möchtest du auch mitspielen?« Er beugte sich wieder zu mir und schnupperte. »Allerdings riecht sie besser. Zum Anbeißen, möchte man sagen.«
    James senkte die Schaufel und trat mit entschlossener Miene auf Sommersprosse zu. »Raus.«
    Der Kerl wich bis zur Tür zurück, wo er sich noch einmal halb zu mir umdrehte und eine obszöne Geste machte.
    James knurrte, holte aus und zielte mit der Schaufel auf Sommersprosses Kopf. Die Schaufel traf ihn nicht – der Kerl riss den Kopf zurück und knallte mit dem Schädel so heftig gegen die Tür, dass das Glas klirrte, ehe er zu Boden ging.
    James spuckte ihn an. Sommersprosse öffnete die Augen, als der Speichel seine Wange traf, und lächelte. »So wird also gespielt.«
    Mir stand plötzlich ein lebhaftes Bild von Luke vor Augen, der Sommersprosse an eine Wand drückte und ihm den Dolch an die Kehle hielt. Sommersprosse grinste. »Das wird ein nettes Spiel.«
    Ich schaute wieder zur Tür hinüber, wo James allein stand. Draußen hoppelte ein weißes Kaninchen über den Asphalt.
    James und ich sahen ihm nach, bis es im Gebüsch hinter dem Parkplatz verschwand, und wechselten dann einen Blick. »Kleines Nagetier-Problem?«
    »Eher ein Wiesel, glaube ich.« Ich stieß den Atem aus, denich unwillkürlich angehalten hatte. »Was machst du denn hier?«
    James schulterte seine Schaufel und schaute aus dem Fenster, als der erste Donner grollte, doch Sara, die noch immer auf ihrem Posten neben der Milchshake-Maschine stand, war schneller. »Was zum Teufel ist hier gerade passiert?«
    Ich wusste nicht recht, wie ich antworten sollte. James zuckte mit den Schultern. »Gemeingefährliche Feen.«
    Sara starrte aus dem Fenster auf den Parkplatz, wo das Kaninchen verschwunden war. Dem Mädchen, das selbst dann die Klappe nicht halten konnte, wenn es nichts zu bereden gab, fehlten auf einmal die Worte.
    Ich sah auf die Uhr. »Ich schließe hinten ab. Wir verschwinden wohl besser.« Sara stand noch immer reglos da und kaute auf der Unterlippe herum. Einen so nachdenklichen Ausdruck hatte ich auf ihrem Gesicht noch nie gesehen.
    »Gute Idee«, sagte James. »Ich fahre dich zum Krankenhaus, wenn du fertig bist. Aber vorher begleite ich Sara zu ihrem Auto.«
    Ich schloss die Hintertür ab und räumte die Behälter mit Schokostreuseln und andere Utensilien weg. Sara erledigte ihren Teil der Arbeit, putzte mechanisch die Milchshake-Maschine und wischte die Theke ab. Ihr Schweigen löste ein unbehagliches Gefühl in mir aus, so als sollte ich etwas sagen, nur, um sie zum

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