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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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seien häufig mit musischen Fähigkeiten verknüpft, und dass gute Musiker oft etwas hätten, was er ›Gabe‹ nennt. Du und ich sagen ›Freakigkeit‹ dazu. Er behauptet, er könne feststellen, ob ein Musiker ein Freak ist, indem er ihm nur zuhört.«
    »Nie im Leben!«
    »Doch. Er wusste, dass ich hellsichtig bin. Luke ist etwas anderes – ich kann mich nicht erinnern, wie er es genannt hat. Astral-irgendwas. Und er meinte, deine Begabung sei jenseits von Gut und Böse.«
    Ich fühlte mich merkwürdig geschmeichelt.
    »Ich glaube, dass
sie
deshalb hinter dir her sind, Dee. Nichtdie Leute von Thornking-Ash, sondern die anderen
sie
. Es kann kein Zufall sein, dass du ein Riesenfreak bist und
die
dich so unbedingt haben wollen.« Er zog die rötlich-braunen Brauen zusammen. »Vielleicht können
sie
in deiner Musik hören, dass du ein Freak bist. Hat das Ganze nicht beim Wettbewerb angefangen?«
    Es hat mit Luke angefangen.
    Ich legte die Hand an den Türgriff. »Warum wollen sie dann Leute wie uns auf ihrer Schule haben? Ich meine die normalen
sie

    James öffnete die Tür. Ein Schwall feuchter, nach Regen riechender Luft drang ins Auto. »Anscheinend kriegen Leute wie wir oft Probleme im Leben. Normandys Sohn war mit fünfzehn schon Konzertgeiger, und er hat Selbstmord begangen. Wahrscheinlich haben sie die Schule gegründet, um uns zu helfen, damit wir besser klarkommen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Von all den Seltsamkeiten, mit denen ich mich während dieser Woche herumgeschlagen hatte, war diese hier zu komplex und abseitig, um sie wirklich begreifen zu können. Eine Freak-Schule für musikalische Genies.
    »Darüber kann ich im Moment nicht nachdenken. Lass uns reingehen, bevor es zu schütten anfängt.«
    Zusammen hasteten wir über den Parkplatz in das hässliche, flache Krankenhausgebäude. Es sah aus wie eine große weiße Schachtel, die jemand mitten auf einem ebenso hässlichen Betonparkplatz abgestellt hatte. Irgendein Pseudo-Künstler hatte die Türen und Fensterrahmen in einem dunklen Blaugrün lackiert, was das Krankenhaus jedoch nicht weniger kastenförmig und hässlich wirken ließ.
    Drinnen roch es nach Desinfektionsmittel und alten Menschen. Die niedrigen Decken und der Chemiegeruch schienen alle Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, so dass ichdie unwichtigsten Details wahrnahm. Das Quietschen meiner Schuhsohlen auf dem Fliesenboden. Das Summen eines Faxgeräts. Das leise Zischen aus der Lüftung. Das blecherne Lachen eines Schauspielers aus dem Fernseher im Warteraum.
    »Kann ich euch helfen?« Die Frau am Empfang lächelte uns freundlich an. Ich starrte auf das Muster ihrer Uniform. Es war wie eines von diesen versteckten Doppelbildern – wenn ich lange genug daraufstarrte, würde ich eine Sphinx oder ein Haus entdecken.
    James versetzte mir einen unauffälligen Tritt. »Wie heißt deine Granna?«
    »Äh, wir möchten zu Jane Reilly.«
    Die Empfangsdame tippte auf ihrer Tastatur herum und las mit geschürzten Lippen die Informationen vom Bildschirm ab. »Nur Angehörige dürfen sie besuchen.«
    »Ich bin ihre Enkelin.«
    Die Empfangsdame beäugte James.
    »Und ich ihr Poolpfleger«, sagte James. »Wir stehen uns sehr nahe. So gut wie verwandt.«
    Die Empfangsdame lachte und nannte uns die Zimmernummer. Wir gingen den Flur entlang – noch immer begleitet vom Quietschen meiner Schuhe und dem Zischen der Lüftung, vorbei an ermutigenden Bildern, die die Wände zierten. Plötzlich verriet uns Moms zischende Stimme, dass wir Grannas Zimmer gefunden hatten. Wie vom Donner gerührt blieb ich auf dem Flur stehen, während James zögernd neben mich trat.
    »Das ist
nicht
normal.« Ich hatte Mühe, sie zu verstehen, wohingegen Delias Stimme deutlich zu hören war.
    »Sie ist hingefallen. Was ist daran so seltsam?«
    »Nein. Das ist doch alles völlig falsch. Das ist wie … wie …«
    Delias Stimme klang höhnisch. »Wie was, Terry? Wie dieTräume, die du früher immer hattest? Damals, als du noch ins Bett gemacht hast?«
    »Ich habe nicht ins Bett gemacht«, fauchte Mom wütend. »Das waren
ihre
Füße.
Sie
hatten immer nasse Füße.«
    »Ah ja? Hast du damals nicht behauptet, du hättest
sie
nur geträumt?«
    »
Du
hast behauptet, das wären nur Träume. Mom hat das behauptet.
Ich
habe das nie gesagt.«
    Delia lachte. Es war kein angenehmes Lachen. »Ich kann so etwas gar nicht behauptet haben, Terry. Ich lag im Sterben, schon vergessen?«
    Mom zögerte. »Natürlich nicht, zum Teufel. Und hör

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