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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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wollte. Ich sandte ein Gebet gen Himmel.
Ich bin eine Idiotin. Bitte lasst mich hier nicht für ein schwarzes Kuh-Dingsda sterben.
    Ich fuhr zusammen. Ein glühendes Stück Holz hatte die Windschutzscheibe getroffen und einen schwarzen Fleck in den Lack der Motorhaube gebrannt, ehe es zu Boden kullerte. Ein Fluch lag mir auf den Lippen, doch da fiel mir wieder ein, dass es ja Delias Wagen war. Draußen lachten die Männer und wandten sich wieder ihrer Quälerei zu. Offenbar glaubten sie, jemandem einen Streich gespielt zu haben, der sie nicht sehen konnte.
    Ich nahm das Glas vom Beifahrersitz, öffnete die Tür und stieg aus.
Ich bin mutig
. Ich erinnerte mich an einen Vorfall, als ich etwa dreizehn Jahre alt war. Damals hatte ich einen der Jungen aus der Nachbarschaft dabei erwischt, wie er Erde auf einen verletzten Vogel häufte und zusah, wie das Tier sich darunter wand. Ich hatte einfach dagestanden und überlegt, was ich sagen sollte, damit er aufhörte; ich war frustriert von meiner eigenen Schüchternheit und der Grausamkeit dieses Jungen. Plötzlich war James neben mir aufgetaucht. »Hältst du das für die beste Art, dein zugegebenermaßen erbärmliches Leben zuzubringen?«, hatte er zu dem Jungen gesagt.
    Ich schöpfte Kraft aus dieser Erinnerung und nahm meine Schneeköniginnenhaltung an. »Ihr verbringt wohl eine schöne Mittsommernacht?« Meine Stimme troff vor Verachtung.
    Die Männer wandten sich zu mir um. Ihre schmalen, schlanken Leiber waren pechschwarz und schienen den Feuerschein zu absorbieren, statt ihn zu reflektieren. Der riesige Stier hingegen war gar nicht schwarz, sondern hellbraun, doch sein Fellwar dunkel von Asche und Ruß, und ich sah Panik und rasende Wut in seinen feucht glänzenden Augen.
    »Das Kleeauge«, zischte einer von ihnen. Es war dieselbe Stimme, die ich im Gespräch mit Luke belauscht hatte, viele Stimmen, zu einer einzigen zusammengepresst. »Sie ist das Kleeauge.«
    »So ist es«, erwiderte ich, immer noch neben dem Auto. Obwohl ich eine Heidenangst hatte, stand ich kerzengerade da. »Ich würde meinen, dass ihr ausgerechnet in dieser Nacht einen besseren Zeitvertreib finden könntet.«
    Einer der schlanken Männer drehte sich zu mir um und verzog den Mund zu einem Lächeln. Erschrocken bemerkte ich, dass er keine Augen hatte – unter seiner Stirn waren nur leere Höhlen mit glatter Haut in den Schatten. Die anderen, ebenfalls ohne Augen, wandten sich ihm zu, als er mich ansprach. »Die Wahrheit, Kleeauge. Ich erkenne die Wahrheit, wenn ich sie höre. Können wir uns mit
dir
vergnügen?«
    »Fahr zur Hölle.«
    Kaum waren die Worte über meine Lippen gekommen, wurde mir klar, dass sie vielleicht überflüssig gewesen waren, da sie bereits wie Teufel aussahen. Doch der Hochgewachsene erwiderte mit einer rauhen Stimme aus tausend Flüstertönen: »Die Hölle ist für jene, die Seelen haben.«
    »Komm an unser Feuer und sag uns, was du von uns willst. Schließ einen Handel mit uns: Den Körper des
tarbh uisge
« – er deutete auf den mächtigen falbfarbenen Stier – »gegen deinen?«, meldete sich einer seiner Gefährten zu Wort.
    Ich schraubte das Glas auf. »Ich habe einen besseren Vorschlag. Ihr lasst den Stier sofort gehen, sonst ist der Spaß für heute Nacht vorbei.«
    Der Hochgewachsene, der sich mit mir hatte »vergnügen« wollen, kam auf mich zu – sein Gang wirkte falsch und unnatürlich,und ich erschauerte. »Das klingt für mich nicht nach einer Wahrheit, Kleeauge.«
    Ich griff mit der Hand in die warme grüne Pampe, wobei ich versuchte, nicht darauf zu achten, wie widerlich sie sich anfühlte (als würde man einen frischen Hundehaufen aufheben), und schleuderte sie den Feen entgegen.
    Einen Augenblick lang geschah nichts, und ich dachte schon,
Granna, du hast mich im Stich gelassen
, da stieß der vorderste einen Seufzer aus. Er sank auf dem Parkplatz zusammen, und sein Atem strömte aus ihm heraus, bis er völlig leer war.
    Ich hatte erwartet, dass ich mich mies fühlen würde, aber ich war nur unendlich erleichtert.
    Ich hielt den anderen das Glas entgegen. »Nicht mehr viel übrig, aber für jeden von euch dürfte es noch reichen. Lasst den Stier gehen.«
    »Ich glaube nicht, dass es dir gefallen würde, wenn der
tarbh uisge
tatsächlich frei wäre. Er wird dich mit ins tiefe Wasser ziehen, da wird dir deine Salbe nichts nützen«, fauchte einer von ihnen.
    Ich sah in das weit aufgerissene Auge des Stiers, dessen massiger Körper im Licht des Feuers und

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