LaNague 01 - Der Heiler
sind Sie ein Tolivianer«, nickte Lenda verständnisvoll. »Das würde Ihr Desinteresse an der Politik erklären.«
»Ja, teilweise. LaNague wurde auf Tolive geboren und steht dort immer noch in hohem Ansehen. Und ich halte einige verstorbene Tolivianer in hohem Ansehen.«
Zum ersten Mal während ihres Gesprächs hatte Lenda das Gefühl, mit einem Mitmenschen zu sprechen. Die anfängliche Kluft zwischen ihnen hatte sich merklich verringert, und es drängte ihn, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen. »Ich war erst vor kurzem in der Zentrale der Föderation. Es würde LaNague das Herz brechen, wenn er sehen könnte …«
»Ihre Taktik funktioniert bei mir nicht«, fuhr ihn Mordirak an, und seine Stimme verriet, daß er sich wieder gefangen hatte.
»Entschuldigen Sie. Es ist nur, ich bin ziemlich hilflos, was mein weiteres Vorgehen anbelangt.«
»Das sehe ich. Sie sind enttäuscht. Sie wollen unbedingt gewählt werden, aber Sie können noch nicht einmal eine Wahl finden, bei der Sie kandidieren können.«
»Das ist ungerecht.«
»Ist es das? Warum wollen Sie sonst diese Machtposition? Halten Sie sich vielleicht für den ›geborenen Herrscher‹?«
Lenda schwieg. Er ärgerte sich über diese Anspielung, aber tief in seinem Innern fühlte er, daß Mordirak möglicherweise nicht ganz unrecht hatte. Er hatte sich oft nach seinen politischen Zielen gefragt und nie eine zufriedenstellende Antwort gefunden. Aber er weigerte sich, das Bild zu akzeptieren, das Mordirak von ihm zeichnen wollte.
»Nicht für einen Herrscher«, erwiderte er. »Wenn das mein Ziel wäre, würde ich über den Niedergang der Föderation frohlocken. Niemand außer den Restrukturisten ist jemals zur Zentrale der Föderation gegangen mit der Absicht zu herrschen.« Er wandte den Blick ab. »Ich bin wohl ein Romantiker. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens damit verbracht, die Föderation zu studieren, und ich weiß, wie sie war, bevor der Krieg ausbrach. Ich habe mir die alten Videoaufzeichnungen von den großen Debatten und Entscheidungen angesehen. In aller Offenheit, wenn Sie die Föderation so kennen würden wie ich und sie jetzt sehen könnten, glauben Sie mir, Sie würden weinen.«
Mordirak blieb unbewegt.
»Und da ist noch etwas anderes«, drängte Lenda. »Diese Gemetzel, diese sinnlosen Attacken auf willkürlich gewählte Planeten werden immer schlimmer. Die Grausamkeiten an sich sind rein barbarischer Natur, aber ich fürchte, daß letztendlich noch etwas viel Schlimmeres dahintersteckt. Wenn die Föderation nicht angemessen reagieren kann, dann wird meiner Voraussicht nach die terranische Rasse – eigentlich sogar dieser gesamte Arm der Galaxie – in eine lange und vielleicht endlose Zeit des interstellaren Feudalismus eintreten!«
Mordirak schien keineswegs beeindruckt. »Und was habe ich mit der ganzen Sache zu tun?«
Lenda verlor sichtbar den Mut, machte aber einen letzten Versuch, zu seinem Gegenüber vorzudringen. »Kommen Sie mit mir zur Zentrale der Föderation. Sehen Sie mit eigenen Augen, wie weit sie heruntergekommen ist.«
»Wenn Sie unbedingt wollen«, meinte Mordirak. »Vielleicht im nächsten Jahr.«
»Nächstes Jahr!« Lenda war sprachlos über seine eigene Unfähigkeit, Mordirak irgendein Gefühl der Dringlichkeit vermitteln zu können. »Nächstes Jahr ist es zu spät! Der Generalrat ist im Moment zu einer Notstandssitzung zusammengetreten.«
Mordirak zuckte die Achseln. »Gut, also heute. Wir nehmen meinen Wagen.«
*
Völlig verwirrt angesichts der plötzlichen Wendung, die die Ereignisse genommen hatten, und angesichts der Tatsache, daß Mordirak jegliches Zeitgefühl fremd zu sein schien, ließ sich Lenda durch die halbdunklen Räume hinaus in das kristallene Sonnenlicht auf dem Berggipfel führen. Sie stiegen in einen Sportgleiter, hoben ab und tauchten durch die dünne Wolkendecke hinunter auf einen direkten Kurs in Richtung Küste. Sie wechselten kein Wort, als sie an der Küste aufsetzten und in ein Fahrzeug an der Rutsche in den unterseeischen Tunnel umstiegen. Sie beschleunigten nur langsam, bis der Fallwinkel steiler wurde und sie von der Kontinentalküste auf die Unterwasserhöhle zuschossen, in der sich die größte der drei Haas-Schleusen von Clutch befand.
Vor rund tausend Jahren hatten die Haas-Schleusen den interstellaren Verkehr revolutioniert, indem sie es den Schiffen ermöglichten, im Schwerkraftschacht eines Planeten in den Warp einzutreten. Zuerst hatte man die
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