LaNague 02 - Mein Vater starb auf Jebinos
Spuren ihres genetischen Erbes von den Menschen trugen, waren sie doch in jeder anderen Hinsicht wirkliche Fremdlinge, Andersartige. Und hier stand nun einer von ihnen direkt neben ihm und bestellte sein Essen. Verzweifelt versuchte Junior, ein Gespräch anzufangen, aber es war nicht einfach, ein allgemeines Gesprächsthema zu finden.
»Es geht uns meistens gut«, lautete die Antwort. Junior bemerkte die Pluralform, und Hebers Worte fielen ihm ein. Es war vielleicht taktlos, dieses Thema anzuschneiden, aber immerhin konnte es der Anfang für ein Gespräch sein.
»Ich habe gehört, daß die Vanek immer das Wort ›wir‹ statt ›ich‹ benutzen«, sagte er zögernd und kam sich dabei vor wie ein unbeliebter Tourist. »Warum eigentlich?«
»So sind wir eben«, lautete die lapidare Antwort. »Unsere Lehrer sagen uns, daß wir alle eins sind im Großen Rad. Vielleicht ist es so. Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, daß wir immer so gesprochen haben und zweifellos auch immer so sprechen werden. In der Sprache der Vanek gibt es kein Wort für den einzelnen.«
»Das ist aber schade«, meinte Junior mit offensichtlicher Ehrlichkeit, bedauerte aber seine Worte augenblicklich.
»Und warum glaubst du das, Bendreth?« Der Vanek zeigte nun Interesse, und Junior erkannte, daß er eine taktvolle und doch ehrliche Antwort finden mußte.
»Nun, ich habe immer gedacht, daß sich eine Rasse durch die Aktionen einzelner weiterentwickelt. Meiner Ansicht nach gibt es bei den Vanek eine extrem langsame Weiterentwicklung. Soweit ich es beurteilen kann, haben sie in den letzten Jahrhunderten nichts erreicht. Vielleicht resultiert dies aus dem Fehlen des Wortes ›ich‹ in ihrem funktionalen Wortschatz. Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt mit dem, was ich gerade gesagt habe.«
Der Vanek fixierte ihn aus nächster Nähe. »Du mußt dich nicht dafür entschuldigen, daß du sagst, was du denkst. Vielleicht -« Er brach ab, weil das Essen kam; das ihnen auf hölzernen Tellern serviert wurde. Jeder bezahlte seine Portion, und Junior erwartete, daß ihm der Vanek zu einem der kleinen Tische folgen würde, die in der Ecke zu ihrer Linken standen. Statt dessen drehte sich der Fremde um und ging zur Tür.
»Wohin gehst du?«
»Nach draußen. Essen.«
»Es ist doch heiß da draußen. Wir setzen uns beide an einen Tisch hier drinnen.«
Der Vanek zögerte und sah sich um. Der Laden war leer, und Jeffers war nirgends zu entdecken. Wortlos folgte er Junior an einen Tisch.
Beide waren hungrig und begannen zu essen, sobald sie sich gesetzt hatten. Nachdem er schnell zwei Bissen geschluckt hatte, sagte Junior, bevor er den dritten in den Mund schob: »Nun, was wolltest du gerade sagen?«
Der Vanek sah ihn über den Tisch hinweg an und kaute nachdenklich. »Vielleicht hast du recht. Früher einmal haben wir mit Recht sagen können, daß wir uns so weit entwickelt haben, wie wir es wollten. Heute aber trifft das nicht mehr zu. Wir Vanek haben nur zu gern die Vorzüge einer Zivilisation, die uns in technischer Hinsicht weit überlegen ist, akzeptiert und sie uns zunutze gemacht. So hat es vielleicht nicht ganz in unserer Absicht gelegen, daß sich unsere Kultur nicht weiterentwickelt hat. Dennoch gehört zur Kultur mehr als nur Technik. Zum Beispiel -«
»Hey!« ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Hintergrund. »Was macht der denn hier?« Junior sah über die Schulter des Vanek und erblickte Jeffers, der hinter dem Ladentisch stand und in ihre Richtung schaute.
Ohne sich umzudrehen, nahm der Vanek seinen Teller und ging hinaus. Junior war vor Überraschung sprachlos.
»Was soll das alles?« fragte er schließlich. »Ich habe mich gerade mit ihm unterhalten!«
»Wir erlauben keinem Vanek, hier drinnen zu essen«, erklärte ihm Jeffers mit gesenkter Stimme.
»Warum nicht, um alles in der Welt?«
»Weil wir es nicht erlauben, darum!«
Junior fühlte Ärger in sich aufsteigen. Er versuchte, ihn zu unterdrücken, was ihm allerdings nicht leichtfiel. »Damit demütigen Sie die Leute aber ganz schön.«
»Und wenn schon. Trotzdem erlauben wir keinem Vanek, in diesem Laden zu essen.«
»Und wen meinen Sie, wenn Sie von ›wir‹ sprechen?«
»Mich!« antwortete Jeffers, während er hinter der Ladentheke vorkam und auf Juniors Tisch zuging. Für einen Mann von seiner Größe bewegte er sich mit überraschender Leichtigkeit. »Der Laden hier gehört mir, und in meinem Laden habe ich das Sagen.«
»Das streitet ja auch niemand ab, nur …
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