LaNague 03 - Der Staatsfeind
er redete. Sollte er noch etwas warten, überlegte sich Haworth. Sollte er ruhig eine Nacht in einer dieser beengenden Zellen im Ungewissen bleiben, wann das Verhör endlich beginnen würde. Er würde vor Unruhe keinen Schlaf finden können, während Haworth endlich seine dringend benötigte Ruhe nachholte.
»Stecken Sie ihn unter den größten Sicherheitsvorkehrungen in eine Zelle, und sorgen Sie dafür, daß Ihre Leute nicht allzu rauh mit ihm umgehen. Ich möchte nämlich, daß er am Morgen noch in der Lage ist, mir einige Fragen zu beantworten.«
»Machen Sie sich keine Sorgen deswegen.« Tinmers Gesicht offenbarte einen grimmigen und mißmutigen Ausdruck. »Sie behandeln ihn sowieso schon wie ein rohes Ei, wie einen VIP, wie … wie einen Offizier!«
Wieder spürte Haworth einen Anflug von Angst, ein Frösteln, so als habe jemand in der kühlen Nachtluft kurz eine Tür geöffnet und dann wieder geschlossen. Wieso ließen die Wachen einem Mann, der sie jahrelang überlistet und ausgetrickst hatte, eine solche Behandlung zukommen? Eigentlich müßten sie ihn doch hassen und nichts sehnlicher wünschen, als ihm alles heimzahlen zu können. Aber ganz offensichtlich war das nicht der Fall. Ein unangemessenes Verhalten, ganz gewiß. Aber warum beunruhigte es ihn dann derart? Er unterbrach die Verbindung und wandte sich langsam von dem Videogerät ab.
Haworth machte sich nicht die Mühe, zu versuchen, Metep jetzt zu wecken und ihm die Neuigkeiten mitzuteilen. Morgen würde er es besser verstehen können, und Haworth würde besser damit fertig werden können. Er war jetzt müde und erschöpft. Es war ein langer, ereignisreicher Tag gewesen, und die Müdigkeit zehrte an seinen geistigen und körperlichen Kräften. Robin Hood hatte keine Chance mehr … nein … er würde ihn nicht mehr so nennen. Er hieß jetzt Peter LaNague. Er hatte einen Namen genau wie jeder andere; es war wirklich an der Zeit, ihn von dem Mythos zu befreien, der ihn umgeben hatte. Peter LaNague hatte keine Chance, aus dem Top-Sicherheitssektor zu entkommen. Haworth brauchte jetzt unbedingt Schlaf. Er hätte sich mit Stimulationspräparaten auf den Beinen halten können, aber mit Ausnahme von Kosmetika hielt er nichts von künstlichen Mitteln, was seinen Körper betraf. Das einzige, was er sich in dieser Richtung erlaubte, war die Alphakappe, die er nachts trug. Sie garantierte für einen ungestörten Schlaf, den er unbedingt brauchte, sorgte dafür, daß er sich in den verschiedenen Schlafperioden erholte und zu einem bestimmten Zeitpunkt aufwachen konnte, bereit zu neuen Höchstleistungen.
Trotz seiner Müdigkeit begab sich Daro Haworth mit jugendlichem Schritt zu seinem Übergangsquartier im Imperialen Komplex. Die Mitglieder des Fünferrates und andere hohe Funktionäre waren im letzten Monat in den Komplex umgezogen, um nach außen hin den Eindruck zu erwecken, ihre ganzen Bemühungen und Kräfte auf die Rettung des Imperiums zu konzentrieren. In Wirklichkeit allerdings ging es ihnen hauptsächlich darum, den Banden zu entkommen, die die zum Teil auf dem Lande gelegenen Luxusvillen der hochgestellten Imperiumsmitglieder belagerten. Heute abend mißfiel ihm seine ungemütliche Unterkunft zum erstenmal nicht, denn morgen würde er, nach sechsstündigem Schlaf unter seiner Kappe, wieder ausgeruht und wach sein, Ro – nein! Peter LaNague entgegenzutreten.
Nach einer Stunde in der Zelle mußte LaNague zugeben, daß es im Grunde nicht so schlimm war, wie er es sich vorgestellt hatte. Vielleicht war seine bebende Furcht bei dem Gedanken an Gefängnis nur eine Oberreaktion gewesen. Alles war routinemäßig vor sich gegangen: Die Fahrt zum Imperialen Komplex und der Gang zum Top-Sicherheitssektor waren ereignislos verlaufen; auch die Registrierung seiner Fingerabdrücke, seiner Netzhautmuster und die Entnahme von Haut- und Blutproben zur Bestimmung seines Genotypus waren problemlos vonstatten gegangen. Die einzige Überraschung hatte ihn erwartet, als er den Zellenblock des Sicherheitssektors betreten hatte.
Das Nachrichtensystem im Gefängnis schien wesentlich besser zu funktionieren als die altbewährten öffentlichen Nachrichtenmedien. Die Öffentlichkeit war noch nicht über seine Verhaftung informiert, aber seine Zellennachbarn wußten offensichtlich Bescheid, denn als er den ersten Schritt im Haupttrakt zwischen den drei Zelletagen machte, erscholl ihm lauter und begeisterter Jubel entgegen. Die Mithäftlinge streckten die Arme durch
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