LaNague 03 - Der Staatsfeind
war es weniger offensichtlich, denn die Anwesenheit von Frauen schien die Stimmung zu heben und eine Atmosphäre von Lebhaftigkeit zu verbreiten. Die Männer setzten andere Mienen auf, wenn sie sich dem anderen Geschlecht gegenübersahen, und spielten das typische Spiel der männlichen Überlegenheit und Sicherheit.
Aber wenn Männer in Lokalen wie dem White Hart zusammenkamen, wo Frauen keinen Zutritt hatten, dann ließen sie ihre Masken daheim. Was für einen Sinn hatte es schon, zu versuchen, seinesgleichen zu täuschen. Und so breitete sich die Langeweile aus, zuerst unmerklich, aber dann gegen Ende des Abends deutlich greifbar. Die Stimmung war nicht trüb oder düster. Nein, das war sie sicher nicht, denn die Zeiten waren nicht schlecht. Natürlich konnte man sie nicht als gut bezeichnen, aber schlecht waren sie gewiß auch nicht.
Es lag einfach an den Aussichten auf die Zukunft. Man konnte das Morgen nicht mehr angehen mit der Vorstellung, ihm hocherhobenen Hauptes zu begegnen, es zu erobern und das Beste aus ihm zu machen, um so seinem Leben etwas hinzufügen zu können. Das Morgen bedeutete jetzt den Kampf, sich behaupten zu können, oder, wenn das nicht möglich war, so wenig wie möglich mit so viel Widerstand und Gegenwehr wie möglich aufzugeben.
Alle Männer haben irgendwelche Träume; es gibt Träume, die an erster Stelle stehen, weniger wichtige Träume und so fort. Die Männer im White Hart jedoch waren im Begriff, ihre Träume zu verlieren. Nicht mit verzweifelten Schmerzensklagen in der Nacht, sondern ganz allmählich, indem sie ihre Ansprüche langsam zurückschrauben und ihre Wünsche mäßigen mußten. Die Träume, die an erster Stelle standen, hatten sie schon völlig aufgeben müssen, und von den weniger wichtigen Träumen würde auch nichts mehr bleiben … vielleicht würden sie sich wenigstens eine Zeitlang noch ganz bescheidene, kleine Träume bewahren können.
Man hatte ganz den Eindruck, daß eine riesige Maschine in Bewegung gesetzt worden war, die mit Hoffnung, Zuversicht und freiem Willen angetrieben wurde, diese unaufhörlich zu Pulver zermahlte und die niemand abstellen konnte. Und wenn sie ganz still waren, dann konnten sie gelegentlich tatsächlich hören, wie sich das Räderwerk der Maschine drehte.
LaNague setzte sich in eine freie Ecke im Hintergrund der Taverne und wartete. Vor fünf Jahren war er ein regelmäßiger Besucher dieses Lokals gewesen und hatte die meiste Zeit einfach den Gesprächen der übrigen Anwesenden zugehört. Tolive hatte in all den Jahren zahlreiche Leute nach Throne entsandt, um Informationen zu sammeln, aber das war alles nichts gegen den Einblick, den man in das Sozialgefüge des Planeten, seine Atmosphäre und Politik bekam, wenn man nur einen Abend unter diesen Männern verbrachte. Einige der Anwesenden warfen ihm einen abschätzenden und forschenden Blick zu; wahrscheinlich kam er ihnen irgendwie bekannt vor, aber gleichzeitig spürten sie wohl auch, daß er allein sein wollte.
Wenn LaNague den Mann richtig eingeschätzt hatte – und er hoffte, daß dies der Fall war –, dann mußte Den Broohnin jeden Augenblick durch die Eingangstür hereinkommen. LaNague wußte, daß er äußerst vorsichtig mit ihm würde umgehen müssen. Auf vernünftige Argumente würde der andere kaum ansprechen. Angst war der einzige Schlüssel: genau dosiert, würde er auf LaNagues Vorschläge eingehen, zu hoch dosiert, würde er flüchten oder angreifen wie ein in die Enge getriebenes Tier. Obwohl er gefährlich und unkontrolliert war, brauchte LaNague seine Mitarbeit, wenn er seinen Plan ungeändert durchführen wollte. Aber konnte er mit dem aufbrausenden Wesen des anderen fertig werden? LaNague war sich nicht sicher, und diese Zweifel beunruhigten ihn.
In Gedanken zählte er noch einmal auf, was er über Den Broohnin wußte. Er war auf einer Farm auf Nolevatol geboren, war ohne besondere Schulausbildung großgeworden und hatte den größten Teil seiner Jugend damit verbracht, dem fremden Boden der Familienfarm Erträge abzuringen. Dann war es zwischen Sohn und Vater zu Spannungen gekommen, die immer stärker geworden waren und schließlich damit endeten, daß der junge Den Broohnin die Farm seiner Familie fluchtartig verließ – nachdem er seinen Vater zuvor sinnlos zusammengeschlagen hatte. Irgendwie schaffte er es bis Throne, wo ihn das Leben in den Straßen von Primus abhärtete und ihn mit der Welt, in der er jetzt lebte, vertraut machte.
Irgendwann war er
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