Land aus Feuer und Wasser
den Tisch herüber.
»Ihr Vater hieß Heinrich?« fragte er den Amerikaner unvermittelt. »Wann ist er von Waltershausen fortgegangen?«
»Vor achtundzwanzig Jahren, ich sagte es bereits, Sir.«
»Und hat er Ihnen Näheres über die deutschen Verwandten in Waltershausen erzählt?«
Dr. Schmidt stellte die Frage, und Hein Eggerth wunderte sich im stillen, wie lebhaft der sonst stets verschlossene und zurückhaltende Doktor auf einmal war.
»Die deutschen Verwandten, Sir?« Smith machte eine unschlüssige Bewegung. »Vater hat öfter von ihnen erzählt, aber nichts besonders Erfreuliches. Es soll damals zu Hause einen mächtigen Familienkrach gegeben haben. Der Großvater muß ein richtiger Tyrann gewesen sein.«
»Wissen Sie, wie er hieß? Was er gewesen ist?« fuhr der lange Schmidt dazwischen. Mr. Smith mußte sich eine kurze Weile besinnen, bevor er antwortete.
»Karl Schmidt war sein Name. Irgend so ein Rat soll er gewesen sein. Ein Gebirgsrat oder ein Waldrat. Ich kenne mich mit den deutschen Titeln nicht aus …«
»Forstrat war er«, platzte Dr. Schmidt heraus.
»Richtig, Sir, ein Forstrat. Er wollte seinen beiden Söhnen mit Gewalt seinen Willen aufzwingen. Meinem Vater hat das nicht gepaßt. Ist als Achtzehnjähriger bei Nacht und Nebel von Waltershausen weg und nach den USA gegangen.«
Mit wachsendem Staunen beobachtete Hein Eggerth das wechselnde Mienenspiel von Dr. Schmidt, während der Amerikaner seine Mitteilungen vorbrachte.
»Wie ist es Ihrem Vater drüben in den Staaten ergangen?« fragte der Doktor.
»Hat sich durchkämpfen müssen, Sir. Kam ohne Mittel drüben an, war natürlich nicht leicht für ihn. Hatte aber einen offenen Kopf und geschickte Hände. Mußte wie die meisten Einwanderer von unten anfangen. Ist aber vorwärtsgekommen, hat heute eine gute Motorenwerkstatt in Massachusetts. Ist kein Millionär geworden, hat aber sein gutes Auskommen.«
»Ah, Ihr Vater lebt noch?« Der lange Schmidt stellte die Frage in einem Ton, daß Smith stutzte und ihn verwundert ansah.
»Selbstverständlich, Sir! Warum sollte er nicht leben? Er ist ja noch nicht mal fünfzig.«
»So, so, Mr. Smith. Und es geht Ihrem Vater gut?«
»Kann man wohl sagen, Sir. Die Werkstatt ist ein guter Job. Hat mächtig zu hin. Haben bei Hochsaison schon mit vierzig Mann gearbeitet.«
Dr. Schmidt murmelte etwas schwer Verständliches vor sich hin.
»Wissen Sie vielleicht auch, wie der Bruder Ihres Vaters hieß, der in Deutschland blieb?« fragte er unvermittelt.
Der Amerikaner mußte sich erst geraume Zeit besinnen. »Adolf war sein Name, wenn ich mich richtig erinnere«, sagte er ein wenig unsicher. »Hörte mal so etwas, daß der unter die Studierten gegangen sein soll.«
Vergeblich wartete Mr. Smith auf weitere Fragen. Der lange Schmidt raffte seine Hefte zusammen und verließ ohne weiter ein Wort zu sagen den Raum.
»Was hat der Mann?« fragte der Amerikaner Hein Eggerth. »Habe ich ihn beleidigt? Das war nicht meine Absicht …«
Hein Eggerth schüttelte den Kopf. »Keineswegs, Mr. Smith. Aber die Welt ist ein Dorf.«
»Was meinen Sie damit, Mr. Eggerth? Ich verstehe Sie nicht.«
»Dann will ich’s Ihnen erklären, Mr. Smith. Der Doktor, der eben hier hinausging, heißt Adolf Schmidt und stammt aus Waltershausen, wo sein Vater Forstrat war. Verstehen Sie jetzt, was ich meine?«
Mr. Smith riß den Mund auf und schnappte erst ein paarmal tief Luft, bevor er zu antworten vermochte.
»Dann wäre ja … dann wäre ja …«
»Dr. Schmidt Ihr richtiger Onkel, Mr. Smith«, sagte Hein Eggerth.
Smith war aufgesprungen. »Wirklich, Herr Eggerth? Ist das so?«
»Ich bin überzeugt, daß es so ist, Mr. Smith.«
»Ich will zu ihm gehen, ich muß weiter mit ihm sprechen.« Smith wollte fortgehen, Hein Eggerth drückte ihn auf seinen Stuhl zurück.
»Sie werden später Gelegenheit dazu haben. Warten Sie noch ein wenig. Lassen Sie dem Doktor Zeit. Er muß sich erst selber mit dem abfinden, was er eben erfahren hat«
3
Als Smith und O’Brien am Morgen dieses für sie so wechselvollen Tages die Befürchtung aussprachen, daß man sie in der Heimat vergessen und aufgegeben hätte, befanden sie sich in einem Irrtum. Zwar hatte die City of Baltimore bei dem plötzlichen Vulkanausbruch fluchtartig in See gehen müssen, ohne sich um sie zu kümmern, denn angesichts der von Minute zu Minute immer gewaltigere Ausmaße annehmenden Naturkatastrophe hätte jeder Versuch, noch nach Professor Harte und seinen Begleitern zu
Weitere Kostenlose Bücher