Land aus Feuer und Wasser
aus der Heimat zunächst mal von außen.
Die Adresse: An Herrn Dr. Schmidt, zur Zeit an Bord von ›St 25‹, Eggerth-Reading-Werke, Walkenfeld. Damit war er zweifellos gemeint, aber wer konnte wissen, daß er tatsächlich zu diesem Stratosphärenschiff gehörte?
Die Handschrift? Sie war ihm unbekannt. Der Poststempel?
Der Brief war mit einer deutschen Inlandsmarke frankiert und in Waltershausen in Thüringen abgestempelt; in Waltershausen, seiner alten Heimatstadt.
Mit einer gewissen Erregung riß Dr. Schmidt den Umschlag auf und zog das Schreiben heraus. Ein langer Brief war das, acht eng beschriebene Seiten umfaßte er und kam, wie dem langen Doktor ein Blick auf die Unterschrift zeigte, von Frederic Smith, jenem Versprengten der Carnegie-Expedition, in dem Dr. Schmidt auf der Insel vor kaum vier Wochen einen leiblichen Neffen entdeckt hatte.
Also hatte der Junge seinen Plan doch ausgeführt und war nach Waltershausen gekommen. Wie mochte der alte Forstrat ihm dort entgegengetreten sein? Hatte der Alte seinen amerikanischen Enkel kurzerhand an die Luft gesetzt? Eifrig machte der Doktor sich an die Lektüre, um das zu erfahren.
Öfter als einmal ließ er den Brief sinken und schlug mit der Hand darauf. Natürlich war es zuerst genauso gegangen, wie Schmidt es vermutete. Unnahbar und stachlig war der Herr Forstrat zunächst gewesen. Frederic Smith genierte sich nicht, in seinem Brief etwas von einem porcupine, einem Stachelschwein, zu schreiben, wie er denn überhaupt in seinen Mitteilungen kein Blatt vor den Mund nahm. Aber er hatte nicht nachgelassen und war dem Alten in hemdsärmeliger amerikanischer Manier immer wieder auf den Leib gerückt, bis er endlich anfing, weich zu werden. Mit Fotos hatte Smith ihn bombardiert, die ihn selbst und seine Brüder, die anderen Enkel des Forstrates, darstellten. Hatte dann andere Bilder hervorgeholt, die seinen Vater, ›den mißratenen Sohn‹, in jüngeren Jahren zeigten, hatte schließlich auch noch Abbildungen auf den Tisch gelegt, die dessen Betrieb in USA wiedergaben, und ganz allmählich schwand dabei die Kälte, mit welcher der Alte sein Herz seit Jahrzehnten gepanzert hatte.
Während der lange Doktor den Brief wieder einmal sinken ließ und über die sonnige Wiese hinaus nach der blauen See blickte, zeigten seine Züge eine Veränderung, daß ihn seine beiden ›Spezialfreunde‹ Hein Eggerth und Georg Berkoff kaum wiedererkannt haben würden. Endlich also war der alte Familienzwist, der viele Jahre hindurch auch auf ihm gelastet und seinem ganzen Wesen den Stempel aufgedrückt hatte, zu einem glücklichen Ende gekommen … Dr. Schmidt fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als ob er Gedanken verjagen wollte, die ihm durch den Sinn gingen, und griff von neuem nach dem Schreiben. Was mochte sein amerikanischer Neffe noch weiter auf dem Herzen haben?
Aha, da kam es schon. An jenem Morgen, an dem Smith und O’Brien vom Süden der Insel aufbrachen, um nach dem Nordufer zu wandern, hatten sie ihre geringe Habe in der Höhle, die ihnen so lange als Zufluchtsort diente, zurückgelassen. Es war geschehen, weil sie sich für den Marsch nicht unnötig belasten wollten und ja bald zurückzukehren gedachten. Aber dann war es dazu nicht mehr gekommen, und nun bat Smith den Doktor, doch jemand dorthin zu schicken und eine Anzahl von Sachen, über die er eine Liste beifügte, holen zu lassen.
Noch vor vierundzwanzig Stunden hätte der lange Schmidt über solchen Auftrag mißbilligend die Schultern gezuckt und ein abweisendes Gesicht aufgesetzt. Jetzt dachte er anders darüber. Natürlich mußte man dem Jungen seinen Wunsch erfüllen. Eine kurze Weile überlegte Dr. Schmidt, wen er damit beauftragen sollte, und kam zu dem Entschluß, daß keiner von allen denen, an die er dachte, dafür zuverlässig genug war. Er selber würde hingehen und das besorgen.
Freilich waren es gut 10 Kilometer bis dorthin. Anderthalb bis zwei Tage würden für die Expedition draufgehen, aber das ließ sich nicht ändern. Dann mußte sich Dr. Wille eben solange um die Vermessungsarbeiten bei dem Stollenbau kümmern. Er dachte weiter nach, wen er zur Begleitung mitnehmen sollte.
Ein paar Leute von den Flugschiffsbesatzungen würde er dafür wohl bekommen können. Mit dem Entschluß, am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang aufzubrechen, legte Dr. Schmidt sich an diesem Abend zur Ruhe.
6
Mr. Garrison saß bis über beide Ohren in der Arbeit, als ihm durch das Telefon Besuch gemeldet
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