Land aus Feuer und Wasser
im tauben Gestein, aber immer mehr kamen die Werkleute zu der Anschauung, daß man demnächst auf Bodenschätze von unerhörter Art stoßen würde. Was der eine nicht wußte, erfand der andere hinzu, und was heute noch als ein Gerücht von Mund zu Mund lief, galt morgen schon als feststehende Tatsache. Ein Unbeteiligter, der diese Reden zufällig mit anhörte, konnte wohl den Eindruck gewinnen, daß hier eine Sache im Gange war, die ihren Unternehmern einen Gewinn von nicht abzuschätzender Größe in den Schoß werfen mußte.
Von wesentlich anderer Art waren die Gedanken und Sorgen, die Professor Eggerth bewegten. Im Prinzip stand der Gang der Arbeiten seit langem für ihn fest. Möglichst dicht mußte man von dem neuen Schacht aus mit dem einen Stollen an den Vulkan und mit dem anderen an den Seeboden heran. Dann waren an diesen Enden der beiden Stollen Sprengladungen von hinreichender Stärke anzubringen. Danach mußte der senkrechte Schacht durch einen Betonpfropfen hermetisch verschlossen werden, und schließlich galt es, mittels Fernzündung zu schlagen, aber … Und nun kam das große ›Aber‹, das dem Professor schlaflose Nächte bereitete. Würde die Sprengung den gewünschten Erfolg haben? Würde sie auf der einen Seite die Verbindung zwischen dem Stollen und dem vom Vulkan in die Tiefe führenden Lavaschlauch herstellen und auf der anderen Seite die Verbindung mit der See?
Herr Dr. Schmidt, der essigsaure Schmidt, wie ihn Hein Eggerth und Georg Berkoff in ihren Privatgesprächen neuerdings zu titulieren beliebten, fand inzwischen eine ihn ausfüllende Tätigkeit bei den Vermessungsarbeiten. Zwar stand er dem kühnen Plan von Professor Eggerth innerlich noch immer ablehnend gegenüber, aber das hinderte ihn nicht, die Linienführung der beiden Stollen mit peinlicher Gewissenhaftigkeit zu überwachen.
Sowohl in den Stollen selbst wie auch über Tage waren von ihm ausgesuchte und gründlich gedrillte Leute ständig mit Meßketten, Visierlatten und Theodoliten an der Arbeit, und bald hier, bald dort tauchte der lange Doktor unvermutet auf, um sie zu kontrollieren und ihre Messungen nachzuprüfen.
»Ich glaube zwar nicht, daß unser Herr Professor den erwarteten Erfolg haben wird«, äußerte er sich in diesen Tagen einmal zu Dr. Wille, »aber ich will jedenfalls dafür sorgen, daß die Stollen auf den Zentimeter genau zu den berechneten Punkten herankommen.«
Kopfschüttelnd hatte Dr. Wille die Mitteilung zur Kenntnis genommen. Er war ja seit langem an allerlei Schrullen seines alten Mitarbeiters gewöhnt.
›Ein drolliger Kauz, aber eine ehrliche Haut‹, ging’s ihm durch den Sinn, während er seinen Blick über den grünen Rasen bis zu dem Vulkankegel hin schweifen ließ.
Dort oben am Kraterrand erhob sich, aus drei schlanken Palmstämmen zusammengebaut, ein spitzes dreikantiges Gerüst, einer der zahlreichen trigonometrischen Punkte, mit denen Dr. Schmidt das Land vom Seeufer bis zum Vulkan hin bepflastert hatte. Bei der Sorgfalt, mit welcher der lange Schmidt bei seinen Arbeiten vorging, war wirklich zu erwarten, daß die beiden Stollen auf den Zentimeter genau an ihre Zielpunkte kommen würden.
Auch heute hatte Dr. Schmidt wieder stundenlang unter Tage gesteckt, überall kontrolliert und selbst vermessen. Ein wenig erschöpft ließ er sich in der Förderschale des Schachtes nach oben bringen. Von dem Sonnenschein, der über der Wiese lag, geblendet, schloß er zunächst die Augen. Er brauchte Zeit, um sich nach dem langen Aufenthalt unter Tage an das volle Licht zu gewöhnen. Als er seine Lider wieder öffnete, stand ein Mann von den Flugschiffsbesatzungen vor ihm.
»Was wollen Sie?« fragte Schmidt ihn, immer noch etwas benommen.
»Ein Brief für den Herrn Ministerialrat«, sagte der Bote. »Was? Ein Brief? Seit wann haben wir denn Postverbindung nach hierher?« wunderte sich Schmidt.
»Vor einer Stunde ist ›St 18‹ von Walkenfeld angekommen, Herr Ministerialrat«, erklärte ihm der andere die Sachlage. »Hm, na ja, geben Sie her!« Er griff nach dem Brief, wollte ihn in die Tasche stecken, besann sich dann eines anderen.
Vorläufig konnte er seine Meßtrupps mit gutem Gewissen sich selbst überlassen; also beschloß er, das Schreiben sofort zu lesen. Mit langen Schritten stelzte er über den Rasen, bis er einen schattigen Platz und dort auch eine Sitzgelegenheit entdeckte. Er fühlte, daß ein wenig Ruhe ihm jetzt guttun würde.
Behaglich ließ er sich nieder und besah sich den Brief
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