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Land aus Glas

Land aus Glas

Titel: Land aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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verraten zu haben, wo zum Teufel er das Geld versteckt hat, und Griz, der eine Art Doppelgeige spielt und zu weit weg von zu Hause an Hunger sterben wird, und Momer, der eine Art Klarinette spielt und von hundsgemeinem Elend zerfressen mit einem Fluch gegen Gott auf den Lippen sterben wird, und Ludd, der eine Art Trompete spielt und zu früh sterben wird, ohne den rechten Augenblick gefunden zu haben, um ihr zu sagen, daß er sie liebte, und Tuarez, der eine Art großes Waldhorn spielt und bei einer Schlägerei unter Matrosen aus Versehen sterben wird, er, der das Meer nie sah, und Ort, der eine Art Posaune spielt und in wenigen Minuten an einem kaputten Herzen sterben wird – wer weiß, ob vor Erschöpfung oder vor Aufregung –, und Nunal, der eine Art Drehorgel spielt und sterben wird, als er an Stelle eines Buchhändlers aus der Hauptstadt erschossen wird, welcher ein Toupet trug und eine Frau hatte, die größer war als er, und Brath, der eine Art Flöte spielt und sterben wird, als er einem blinden Priester, den die Leute für heilig hielten, seine Sünden beichtet, und Felson, der eine Art Harfe spielt und an einem seiner Kirschbäume erhängt sterben wird, nachdem er sich den größten und schönsten ausgesucht hat, und Gasse, der eine Art Xylophon spielt und mit einer Uniform am Leib und einem Brief in der Tasche auf Geheiß des Königs sterben wird, und Loth, der eine Art Geige spielt und in aller Stille sterben wird, ohne zu wissen warum, und Karman, der eine Art Trompete spielt und an einem zu harten Faustschlag von »Bill, der Bestie von Chicago« sterben wird, dreihundert Dollar für jeden, der drei Runden auf den Beinen bleibt, und Waxell, der eine Art Dudelsack spielt und erstaunt mit dem Bild seines Sohnes vor Augen sterben wird, der ohne mit der Wimper zu zucken den rauchenden Gewehrlauf senkt, und Mudd, der eine Art Gong spielt und nunmehr ohne Ängste und ohne Wünsche glücklich sterben wird, und Cook, der eine Art Clarino spielt und am selben Tag wie der König sterben wird, allerdings ohne in die Zeitung zu kommen, und Yelyter, der eine Art Ziehharmonika spielt und bei dem Versuch sterben wird, ein dickes Mädchen aus den Flammen zu retten, das später berühmt werden sollte, weil es seinen Ehemann mit Axthieben getötet und ihn dann im Garten verscharrt hatte, und Doodle, der eine Art Glockenspiel spielt und bei einem Ballonabsturz über der Kirche von Salimar sterben wird, und Kudil, der eine Art Posaune spielt und sterben wird, nachdem er eine ganze Nacht gelitten hat, jedoch ohne einen Seufzer, um niemanden zu wecken. Alles seine Kinder, vorausgesetzt, es gibt ihn irgendwo. Gott. Und damit natürlich alles Waisen, arme Teufel – Spielbälle des Zufalls. Aber am Leben, wie verrückt am Leben, trotz allem, und in diesem Augenblick mehr denn je, während ganz Quinnipak den Atem anhält und die lange Straße vor ihnen darauf wartet, vom Klang ihrer Instrumente durchzogen zu werden, und sie im stillen darauf hofft, eine Erinnerung zu werden. Die Erinnerung.
    Nur ein Augenblick.
    Dann gibt Pekisch das Zeichen.
    Und alles fängt an.
    Sie beginnen zu spielen, die zwölf Männer rechts und die zwölf Männer links, und während sie spielen, gehen sie los. Schritte und Töne. Langsam. Die von links denen von rechts entgegen und umgekehrt. Klangwolken, in die tausend Schritte dieser Straße geleitet, der einzigen richtigen Straße von Quinnipak – in der Stille, das liegt auf der Hand, ist das beidseitige Heranziehen einer Art Klanggewitter zu hören – allerdings viel sanfter als ein Gewitter, auf der linken Seite ist es wie ein anmutiger Tanz, auf der rechten könnte es ein Marsch oder ein Kirchenlied sein, sie sind noch weit voneinander entfernt, horchen aus der Ferne aufeinander, einfach so – mit geschlossenen Augen könnte man sie vielleicht getrennt hören, beide gleichzeitig, aber getrennt – manche schließen die Augen, andere starren vor sich hin, und einige schauen nach rechts und dann nach links und dann nach rechts und dann nach links – Mormy nicht, sein Blick ist natürlich starr – denn eigentlich wissen die Leute gar nicht so recht, wohin sie schauen sollen – Mormy ist schon von einem Bild hingerissen, das ihn fast augenblicklich durchbohrt hat, noch vor dem langen Augenblick der Stille, noch vor allem anderen – in dem Gedränge von Menschen und Blicken hatten seine Augen unzählige Punkte zur Auswahl, auf die sie sich hätten richten können, doch gelandet sind sie

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