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Land der guten Hoffnung

Land der guten Hoffnung

Titel: Land der guten Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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für irgendeine Firma? Oder war sie nur eine selbstbewusste Globetrotterin, die Gruppenreisen nicht mochte? Vergeblich versuchte ich mich auf die Wochenendausgabe des Saturday Argus zu konzentrieren.
    Hatte ich nicht andere Sorgen?
    Ich suchte Ablenkung in der Erinnerung an Mandelaugen und tätowierte Haut, aber auch Betty brachte mich nicht auf andere Gedanken.
    Als ich aus meiner Oase kam, holte mich die Wirklichkeit ein.
    Es war Samstag, und Straßen und Geschäfte waren plötzlich von Heerscharen schwarzer Südafrikaner bevölkert. Zum Wochenende veränderte sich das sonst so europäische Gesicht der Region drastisch. Ich steuerte meinen Wagen bis zum nahen Ortsende. Monument und Museum der Hugenotten waren als Wegmarken nicht zu übersehen. Sie lagen hell wie Elfenbein neben einem großen Friedhof. Ich parkte an der Straße und spazierte auf das Gelände, auf dem nur wenige Besucher unterwegs waren. Die Mittagssonne brannte von einem wolkenlosen Himmel. Trotzdem war die Hitze erträglich, denn die Luft war klar und wurde von einer leichten Brise in Bewegung gehalten.
    Stan Wishbone wartete auf den Stufen zum Museum auf mich, eine Tageszeitung unter den Arm geklemmt. Er trug einen sandfarbenen Leinenanzug, ein weißes Hemd mit Stehkragen und rahmengenähte Schuhe. Nicht wenige Jazzmusiker sind modebewusste, stilvolle und um Eleganz bemühte Leute, und Drummer Stany war ganz offensichtlich einer von ihnen. Als Sonnenbrille trug er das gleiche Modell seiner Nickelbrille - nur mit dunkelgrünen Gläsern.
    Er nickte zur Begrüßung und führte mich zu einem kleinen Café hinter dem Gebäude. Im Schatten einiger Sonnenschirme standen lange Tische und Sitzbänke. Die meisten waren leer. Kaum hatten wir Platz genommen, kam eine dralle Weiße und erkundigte sich jovial nach unseren Wünschen. Wishbone gab sich wortkarg. Er bestellte nur einen Kaffee. Ich nahm Kaffee und ein Stück des Karottenkuchens, den mir die Bedienung wärmstens empfahl.
    „Beeindruckende Anlage.“ Ich warf einen Blick über die Gedenkstätte.
    „Die Hugenotten haben die ersten Rebstöcke in diesem Land gepflanzt“, sagte Wishbone mit seiner sonoren Stimme. „Das war im späten siebzehnten Jahrhundert. Das Klima hier im Südwesten der Kapprovinz ähnelt dem der Provence, ist noch milder und weniger trocken.“
    „Im Ort ging es heute richtig afrikanisch zu.“
    „Und Sie haben sich plötzlich wie in einem Ameisenhügel gefühlt.“
    Zum ersten Mal sah ich Stan Wishbone lächeln. Im harten Tageslicht wirkte er älter. Da waren Fältchen um seine Augen, und der Bart war grauer, als ich am Vorabend wahrgenommen hatte. Auch die zwei dünnen schwarzen Linien, die auf beide Wangen tätowiert waren, bemerkte ich erst jetzt.
    „Die meisten Schwarzen in dieser weißen Enklave sind Xhosa, die nach Abschaffung der Apartheid aus dem Osten gekommen sind. Sie haben den Ort mit ihrer bloßen Anwesenheit ein wenig aufgemischt, aber viel hat sich nicht geändert.“
    Die Dralle brachte Kaffee und Kuchen und ließ uns wieder alleine. Ich probierte den hausgemachten Karottenkuchen. Er war köstlich. Wishbone nahm einen Schluck Kaffee und tippte mit dem Zeigefinger auf seine zusammengelegte Zeitung.
    „Haben Sie schon den Argus gelesen?“ fragte er.
    „Wenn ich ehrlich bin, noch nicht mehr als die Titelseite.“
    „So wichtig ist einer wie Jabu für die Journaille leider nicht.“ Er schlug die Zeitung auf, faltete sie, damit ein ganz bestimmter Artikel im Lokalteil voll zur Geltung kam, und schob sie mir über den Tisch.
    Der Alte war gut getroffen. Er trug sein James-Brown-Outfit und hatte seine Elektrogitarre umgehängt. Neben dem Foto stand:
    MUSIC VETERANKILLED IN CAR ACCIDENT Jabu Mahlangu, who was a prominent member of Cape Towns musical scene, died yesterday under mysterious circumstances...
    Der Meldung nach, war der alte Mann offiziell bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Zeugen hatten jedoch beobachtet, wie ihn ein Wagen absichtlich aufs Korn genommen und überfahren hatte. Leider waren diese Zeugen bislang noch nicht bei der Polizei gewesen, und die Behörden suchten offenbar auch nicht nach ihnen. Wie dem auch war -wenn es sich nicht um den unwahrscheinlichsten Zufall, also einen ganz normalen Verkehrsunfall, handelte, dann war es mir mit meinen behutsamen Aktivitäten bereits gelungen, die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, die ich so lange wie möglich hatte vermeiden wollen.
    Ich spürte Wishbones Blick auf mir lasten und sah ihn an.

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