Land der guten Hoffnung
„Sie glauben, ich hätte was damit zu tun.“
Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. „Ich glaube gar nichts. Ich bin mehr der Typ, der gerne genau weiß, was Sache ist. Aber seltsam ist es schon.“ Er setzte die Brille wieder auf und musterte mich. „Finden Sie nicht auch?“
„Das kann man wohl sagen.“
„Er hat Ihnen erzählt, wo Sie mich finden. Wie kam es dazu?“
Ich berichtete vom Treffen im Produktionsbüro. Er hörte aufmerksam zu und dachte eine ganze Weile darüber nach. Ich nutzte sein Schweigen, um meinen Kuchen aufzuessen.
Schließlich sagte er: „Sie suchen also nach unserem gemeinsamen Freund Tim?“
„So ist es.“
„Das haben schon andere getan - und sie haben es inzwischen aufgegeben.“
„Das ist mir nicht neu.“
„Sie sind Solist?“ Er taxierte mich - ganz der Bandleader, der eine freie Stelle zu vergeben hat.
„Kann man so sagen.“
„Und wenn ich Ihnen nicht helfe, werden Sie vermutlich trotzdem weitermachen.“
„Ich nehme gerne eine Abkürzung, wenn sich eine anbietet. Aber wenn nicht, geht es meist auch ohne.“
Wishbone trank seinen letzten Schluck Kaffee und rollte die Zeitung zusammen. „Ich weiß nicht, worum es geht, aber ich hänge wohl - ohne es zu wollen - schon mit drin.“ Er lächelte müde und erhob sich. „Und bevor auch ich einen Verkehrsunfall erleide, versuche ich lieber mal eine Genehmigung zu bekommen, bevor ich die Ampel für Sie auf Grün stelle.“
„Danke.“ Ich stand auf und reichte ihm zum Abschied die Hand.
„Geben Sie mir etwas Zeit.“ Er tippte zum Gruß mit der Zeitungsrolle an die Schläfe. „Ich weiß ja, wo ich Sie erreiche.“
Ich setzte mich wieder, trank meinen Kaffee und sah Stan Wishbone nach. Old Jabus Schicksal schien ihm eine Warnung zu sein. Er hatte offenbar nicht vor, als Plappermaul und Verräter dazustehen, also wurde er aktiv - was immer auch dabei für mich herauskommen mochte. Wishbone war Drummer. Rhythmus war sein Ding. Er brachte Bewegung ins Spiel, und ich war wachsam. Deshalb verzichtete ich auch darauf, ihn zu beschatten. Ihm unauffällig zu folgen, war auf diesem Terrain sowieso nicht leicht. In dieser Landschaft war alles gut überschaubar.
Und so entging mir auch meine blonde Mitreisende nicht, die mit einem Reiseführer in der Hand über den Rasen schlenderte.
Kapitel 11
Ich zahlte und machte der Drallen ein Kompliment zu ihrem Karottenkuchen, das sie lachend entgegennahm.
Diesmal wollte ich der Blonden keine Chance geben, sich unbeteiligt aus der Affäre zu ziehen. Ich ging direkt auf sie zu. Sie trug Bootsschuhe, Jeans und eine weiße Bluse. Über den Schultern hing ein blauer Pullover, und auf der Nase saß eine Sonnenbrille, die noch größer war, als diejenige, die ich schon kannte. Auf den letzten Metern hatte ich den Eindruck, ein scheues Wild vor mir zu haben, das sich gestellt sieht, fliehen will - und doch wie gebannt verharrt und den Angreifer dabei standhaft ignoriert. Mit demonstrativem Interesse musterte sie das Museum und blätterte dabei so hektisch in ihrem Führer, als sei sie auf einen prähistorischen Fund gestoßen.
Ich blieb dicht neben ihr stehen. Sie benutzte ein angenehmes Parfüm. „Haben Sie es sich schon von innen angesehen?“
Als sie mich endlich ansah, waren die dunklen Brillengläser die einzige Deckung, die sie noch hatte. Sie schaute wieder weg und suchte nach einer angemessenen Antwort.
Ich wartete geduldig.
„Ja - das heißt“, sie räusperte sich, „noch nicht.“
Ich tat, als sei dies die klarste Auskunft, die ich je gehört hatte. Schließlich entschloss sie sich zur kontrollierten Offensive.
„Habe ich Sie nicht schon im Hotel gesehen?“
„Sowohl in Camps Bay, als auch hier.“
„Ach, im Bay Hotel waren Sie auch?“ Ihr Englisch war akzentfrei und ließ keinen Rückschluss auf ihre Nationalität zu.
„Und auch im selben Flugzeug wie Sie. Zumindest ab London.“
Sie musterte mich regungslos, dann gingen wir ein Stück über den Rasen.
„Die neue Frisur steht Ihnen gut.“
„Danke.“ Fahrig zupfte sie sich ein paar Strähnen zurecht.
Ich ließ sie zappeln. Sekunden später hatte sie sich offenbar für eine neue Strategie entschieden.
„Ich bin Rena Carsten.“ Sie hielt mir die Hand hin. „Aus Hamburg.“
„Dann können wir ja Deutsch reden.“ Ich schlug ein und kam gar nicht erst dazu, mich vorzustellen.
„Ganz wie Sie wollen, Herr Tempow.“
Sie nahm die Sonnenbrille ab. Ihre blauen Augen waren im hellen
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