Land der guten Hoffnung
perverseste Schmuckstück aber war eine Lampe mit Häkeldeckchenschirm, die von einem Elefantenrüssel gehalten wurde. Nur die bunten Straußenfedern, die wie ein Blumenstrauß in einer Kristallvase steckten, und die Straußeneier, die sich in einer Schale aus Onyx stapelten, durften guten Gewissens unter legaler Hege und Pflege der Fauna durchgehen.
„Das ist ja grauenhaft!“ Rena stöhnte theatralisch, drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ sich in einen Sessel fallen.
Schon in Küche und Flur war mir der Verdacht gekommen, sie taxiere das Wohnhaus bereits auf Tauglichkeit für die zusammenzuführende Kleinfamilie. Aber ganz so protzig hatte sie sich das Ambiente für ein Heim am Kap wohl doch nicht vorgestellt. Ich setzte mich auf einen der beiden Dreisitzer und befingerte das samtweiche Leopardenfell, das über die Sofalehne drapiert war. Trotz der geöffneten Fenster hing ein muffiger Geruch im Raum. Auch hier war alles von einem grauen Schleier überzogen. Wie viele Bedienstete mochten alleine mit Staubwischen beschäftigt sein, wenn man in dieser aufgeblasenen Jagdhütte residierte?
Wishbone kam mit zwei Flaschen Mineralwasser zurück, ging zur Hausbar und polierte drei Gläser mit einer Papierserviette, bevor er uns einschenkte. Er tat es dezent und professionell wie bei seinem Job als Oberkellner im Quartier Francais, und für einen Moment sah ich ihn wieder in tadellos geschnittener Hose und Weste und mit elegantem Hemd mit Seidenbinder an seiner Anrichte hantieren.
„Es kann noch eine Weile dauern.“ Er reichte uns die Gläser, hockte sich auf einen Hocker und sah auf die Armbanduhr. „Aber wir sind bestimmt nicht umsonst gekommen.“
Mit dem ersten Schluck spürte ich, wie ausgetrocknet meine Kehle war. Ich wischte mir über die Stirn. Die Anspannung auf der Fahrt ins Ungewisse und die ersten Eindrücke des Anwesens hatten mich Schweiß und Durst vergessen lassen. Mein Blick fiel auf eine vergilbte Ausgabe des Burger. Die Schlagzeile in Afrikaans blieb mir ein Rätsel.
Nach Minuten des Schweigens hatte Wishbones Geduld ein frühes Ende. Er sprang auf. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest des Hauses.“
Wir folgten ihm. Im Flur führten einige steile Steinstufen in den Keller und eine weit geschwungene Holztreppe ins Obergeschoss. Die ausgetretenen Bohlen knarrten, als wir nach oben stiegen. Wir überquerten eine Diele mit einer antiken Holztruhe und zwei gegenüberliegenden Türen.
Wishbone lotste uns in ein Schlafgemach. Nur wenige Sonnenstrahlen fielen durch die nachlässig zugezogenen Vorhänge und spendeten gedämpftes Licht. Mitten im Raum stand ein aus alten Eisenbahnschwellen gezimmertes Doppelbett, groß und schwer wie ein Ponton. Darüber hing weit und luftig ein Moskitonetz, das mich an die Kuppel eines Zirkuszeltes erinnerte. Das Ruhelager konnte problemlos mit dem Safari-Größenwahn im Erdgeschoss mithalten. Es war frisch mit goldfarbenem Satin bezogen und tadellos gemacht. Das Moskitonetz hielt zwar den Staub ab, aber sein milchiger Schleier raubte Laken und Bezügen den Glanz.
Am anderen Ende des Schlafzimmers angekommen, zog Wishbone die Gardinen vor einer Glastür auf, öffnete die beiden Flügel, auch die handgeschmiedete Gittertür und trat auf einen Balkon hinaus, der auf der Rückseite des Wohnhauses lag und den ich von außen nicht bemerkt hatte. Während Rena zögernd in der Türöffnung stehen blieb, folgte ich Wishbone nach draußen.
Im Freien holten mich das blendende Tageslicht und die trockene Hitze wieder ein. Ich setzte die Sonnenbrille auf, und nachdem sich meine Augen an die gleißende Helligkeit gewöhnt hatten, nahm ich Wishbones Blick auf. Er starrte zu dem dunklen Bergmassiv hinüber. Die Luft über der gelbbraunen Landschaft flimmerte irritierend und zerstörte jedes Gefühl für Entfernung. Die Berge hätten Hunderte von Kilometern weit weg liegen können - oder nur einen einzigen. Ich wandte mich der gegenüberliegenden Staubpiste zu. Wenn jemand kam, dann war das die Front, an der er auftauchen musste. Nichts war zu sehen. Nicht einmal eine entfernte Staubfahne gab Hoffnung.
Noch während wir so in die Weite schauten, begann ein unmerkliches Vibrieren die Luft zu erfüllen, das ganz allmählich von einem schwachen Flattern überlagert wurde. Das Geräusch schwoll an, und als ich in die Richtung sah, aus der es ertönte, konnte ich vor den dunklen Bergen einen noch dunkleren Fleck erkennen, der sich zielstrebig auf uns zu bewegte. Das
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