Land der guten Hoffnung
einen älteren Herren, der freundlich mit ihnen in ins Objektiv lächelte. Er trug einen konservativen Dreiteiler und hatte silberweiße Haare. Vermutlich war es der verlässliche Tyrann, der Vater der großen und Großvater der kleinen Frau, der reiche Machtmensch - mein Auftraggeber. Auch das bekannte Phantombild von Timothy Butler hatte Rena bei sich.
Neben weiteren persönlichen Dingen und Unterlagen, die mir nicht viel nützten, fand ich zwei Briefe, deren Kuverts britische Briefmarken zierten. Beide trugen auf der Rückseite einen Aufkleber mit der Anschrift des Absenders. Der Familienname lautete Symons, die Ortschaft hieß Tunbridge Wells und lag in Kent. Beide Briefe waren an Rena Carstens Hamburger Anschrift gerichtet. Nachdem ich alle Zeilen gelesen hatte, war ich sicher, dass es sich bei Emmy und Ted Symons um die Vertrauten handelte, bei denen sich Conny zurzeit aufhielt. Vorsichtig trennte ich den Aufkleber der Absender von einem der Briefumschläge und nahm ihn an mich.
Ohne Rena zu wecken, zog ich mir mein Hemd über, verließ die Suite und huschte durch die kühle Nacht über den Innenhof zu meiner Haustür, um mich in Ruhe unter dem Dach auszuschlafen.
Gegen Mittag quälte ich mich aus dem Bett und schleppte mich und meinen Kater, stets auf ausreichenden Schatten bedacht, zum Pool.
Auch wenn das Wasser nicht schmutzig war - in meinem angeschlagenen Zustand hatte ich das Gefühl, in einen trüben Entenpfuhl zu steigen. Leichter Brechreiz überkam mich, bevor ich mich in die Fluten stürzte. Mit der angesammelten Sonnenwärme war es nicht weit her, und so brachte mich die eisige Kälte sofort ins Klare. Hektisch schwamm ich ein paar Mal hin und her. Ich tauchte, prustete wie ein angeschossenes Flusspferd und arbeitete mir auf diese Weise den restlichen Alkohol aus dem Körper.
Noch einmal tauchte ich bis zum Beckenboden, und als ich wieder dem grellen Sonnenlicht entgegenstrebte und mit dem Kopf durch die Wasseroberfläche brach, hing drohend ein ebenholzfarbenes Gesicht über mir. Wasser, Chlor und stechende Helligkeit trübten meinen Blick. Leicht nach vorne gebeugt stand der schwarze Riese am Beckenrand, ragte wie der Rachegott aller Bantustämme über mir auf. Eine Schrecksekunde lang fühlte ich mich wie ein Goldfisch im Glas, der von einer ausgewachsenen Raubkatze fixiert wird. Die Bestie holte bereits mit der rechten Tatze aus - doch bevor ich dem Zwang nachgeben konnte, erneut abzutauchen, erkannte ich Wishbone, der die Hand zur Begrüßung hob.
Ich kletterte aus dem Wasser, eilte zu einer Liege und frottierte mich ab. Wishbone folgte mir gelassen und setzte sich in einen Gartenstuhl. Er trug noch sein Skipper-Outfit. Ich hockte mich hin und rubbelte mir die Haare trocken.
„Alles erledigt!“ sagte Wishbone. „Sie können beruhigt nach Deutschland zurückfliegen.“
Ich sah zu wie er die Mütze mit dem langen Schirm abnahm und sich mit den Fingern über den kahlen Schädel strich. Sein Interesse an meinem baldigen Verschwinden war ungebrochen, aber sonst konnte ich dem Mann nichts Konkretes vorwerfen. Und trotzdem provozierte mich irgendetwas an seiner Haltung und ließ mich heftiger als nötig sagen:
„Leider hat sich die Lage inzwischen geändert!“
Zum ersten Mal zeigte Stan Wishbone etwas wie eine Irritation. Eines seiner Augenlider zuckte nervös, während er auf meine Begründung wartete.
„Tim war offenbar nur der Lockvogel. Ich suche jetzt nach einem Weißen, mit dem er in Deutschland - und wohl auch hier zu Lande - zu tun hatte, wahrscheinlich ein Bure.“
Am Kap lebten nicht wenige blonde Buren. Und doch verzichtete ich ganz bewusst auf weitere Ausführungen, denn ich war fest überzeugt: Der Drummer wusste weitaus mehr, als er sich anmerken ließ. Wishbones Nasenflügel blähten sich unmerklich auf, als lasse er behutsam Luft entweichen, um einen inneren Druck abzubauen. Nur Sekunden später hatte er sein Mienenspiel wieder völlig unter Kontrolle und unterbreitete mir ein Angebot.
„Dafür kommt dann wohl nur noch eine Person in Frage.“
Er verstummte, kämmte sich den Bart mit den Fingern und musterte mich, als teste er mein ernsthaftes Interesse. Ich wich seinem Blick nicht aus. Was immer auch seine Motive sein mochten - schnell und flexibel wie ein Chamäleon passte er sich der neusten Situation an und legte einen frischen Köder für mich aus. Wenn er mich schon nicht loswerden konnte, wollte er mich wenigstens unter Kontrolle halten. Auch wenn Stan
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