Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
es sich einzugestehen, aber einige seiner Begleiter – vor allem der Gilg und der grüne Junge – waren ihm tatsächlich ans Herz gewachsen. Und er schämte sich fast vor sich selbst, dass ihm der Gedanke gefiel, im Dienst einer höheren Sache zu kämpfen. Bisher hatte er stets für sich allein gestanden, von seinem Bruder Bannhart einmal abgesehen. Wenn er allerdings bei diesem seltsamen Trupp blieb und bei der Suche nach dem Nebelhorn half, diente er einem höheren Ideal – und seltsamerweise hatte er das dumpfe Gefühl, dass es das war, wozu Bannhart ihm geraten hätte…
»Also schön«, knurrte er schließlich in seinen Bart, »es soll an mir nicht liegen. Wenn der Stocker und der Grünschnabel das Horn unbedingt suchen wollen, werde ich sie begleiten.«
»Ich weiß, Wildfänger«, erwiderte die Salige, und zum ersten Mal legte sich ein Lächeln auf ihre zugleich anmutigen und fremdartigen Züge. »Ich habe nichts anderes erwartet.«
Alphart hatte das Gefühl, aus einem Traum zu erwachen.
Jäh wurde ihm bewusst, dass die anderen den Wortwechsel mitgehört hatten und nun also seine geheimen Gedanken kannten. Wie der Wildfänger jedoch zu seiner Verwunderung feststellte, schien sich keiner für ihn zu interessieren.
Seine Gefährten standen so reglos wie er selbst und hatten den Blick zum Ufer gerichtet, einen verklärten Ausdruck in den Gesichtern – und Alphart begriff: Die Unterhaltung mit der Salige hatte nur in seinen Gedanken stattgefunden. Auf eine Weise, über die der Jäger gar nicht weiter nachdenken mochte, hatte die Wildfrau lautlos zu ihm gesprochen – während sie gleichzeitig auch mit all seinen Gefährten geredet haben musste, denn genau wie Alphart kam einer nach dem anderen zu dem Schluss, dass er die Mission fortsetzen und die Suche nach Dánaons Horn auf sich nehmen wollte.
Zuerst Leffel Gilg, nach ihm Walkar der Bärengänger, dann Urys der Zwerg und schließlich auch Mux, der voller Verzückung reimte: »Was du da sagst, du holdes Weib, klingt für mich doch recht gescheit. Zumindest ist’s ein Hoffnungsschimmer, alles andre wäre schlimmer!«
Erwyn schien die meiste Überredung zu brauchen. Als auch er wieder zu sich kam, war Ernüchterung in seinen Zügen zu lesen, und er sagte kein Wort, nickte aber und gab damit seine Zustimmung bekannt.
»Ihr alle«, rief die Salige ihnen zu, »habt eure Entscheidung getroffen, und ich weiß, dass sie euch nicht leichtgefallen ist. Doch wenn ihr auf euren Mut vertraut, auf eure Freundschaft und auf die Kraft der Mythen, besteht noch immer Hoffnung für Allagáin – und damit für die ganze Welt.«
»Wir danken dir für deine Hilfe«, erklärte Yvolar. »Aber sage uns, wo das Sylfenhorn zu finden ist.«
»Verloren ging es vor langer Zeit in den Wirren der Schlacht auf dem Gipfel des Berges. Dort liegt es noch heute, verborgen unter ewigem Eis. Mit jedem Augenblick, der verstreicht, wachsen die Gletscher, unter denen Muortis die Welt begraben will, deshalb brecht rasch auf und verliert keine Zeit.«
»Auf dem Gipfel des Berges«, echote Leffel ehrfürchtig.
»Unter ewigem Eis«, fügte Erwyn hinzu.
»Die höchste Spitze müsst ihr erklimmen. Hütet euch vor den Gefahren, die dort lauern, aber säumt nicht auf eurem Weg, denn die Zeit drängt. Nicht nur das Eis bedroht die Welt der Sterblichen, sondern auch innere Zwietracht.«
»Was bedeutet das?«, wollte Yvolar wissen.
»Das Land ist in Unruhe«, antwortete ihm die Wildfrau, »und die Saat des Verrats, vor langer Zeit gesät, geht auf. Findet das Horn und haltet den Vormarsch des Bösen auf – oder eure und unsere Welt wird untergehen.«
Kaum hatte die Salige das letzte Wort gesprochen, hüllte sie auf einmal ein rätselhaftes Licht ein, sodass sie selbst nicht mehr zu sehen war. Es dauerte nur wenige Wimpernschläge, dann verblasste das Licht – und die Wildfrau war verschwunden.
Dafür zuckten plötzlich grelle Blitze über den Himmel. Die dichten grauen Wolken rissen auf, und jenseits der Schleier aus Nebel und Schnee wurden die Hänge jenes Berges sichtbar, auf dem die sagenumwobene Schlacht zwischen den Streitern des Lichts und der Finsternis gewütet hatte, damals, vor einem Zeitalter.
Der Korin Nifol.
Auf seinen grauen Gipfel mussten die Gefährten, wenn sie den Rat der Salige befolgen und nach Danaóns Horn suchen wollten – und obwohl ihre Aussichten, es tatsächlich zu finden, verschwindend gering waren und ihr Weg hinauf zum Berggipfel mühsam und gefährlich,
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