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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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von nun an besser Acht zu geben.
    Je näher er dem Großen Turm kam, desto größer und glanzvoller wurden die Häuser mit ihren Säulen, Bögen und Balustraden und ihren Hinterhöfen, aus denen der süßliche Duft verblühender Rosen strömte. Immer eindrucksvoller ragte der Túrin Mar am Ende der Straße auf, die schließlich in einen weiten Platz mündete. Aus der weiten, steingepflasterten Fläche erhob sich der riesige Turm wie seit Tausenden von Jahren. Darüber, als hätte Iónador einen eigenen Himmel aus Stein, breitete sich der graue Fels des Schildbergs aus, den der Turm zu stützen schien.
    Wenn Leffel allerdings geglaubt hatte, er würde allein sein mit dem Wunsch, zum Fürstenrat vorgelassen zu werden, so hatte er sich gründlich getäuscht. Vor der breiten Treppe, die in den grauen Fels gehauen war und hinauf zur Turmpforte führte, hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet, und Leffel erkannte einige der Bauern wieder, mit denen er die Brücke überquert hatte. Auch sie warteten offenbar darauf, ihre Anliegen vortragen zu können, was andererseits bedeuten musste, dass an diesem Tag Audienz war.
    Leffel atmete auf – er war zur rechten Zeit gekommen. Beherzt schulterte er den Sack mit dem übel riechenden Inhalt und wollte die Treppe hinauf.
    Einmal mehr versperrte ihm ein bewaffneter Wächter den Weg. »Halt, Bursche! Wohin des Wegs?«
    »Zum Fürstregenten«, antwortete Leffel rundheraus. »Ich habe eine wichtige Nachricht für ihn.«
    »So, eine wichtige Nachricht für den Fürstregenten hast du also.« Der Wachmann verzog spöttisch das Gesicht. »Und sie ist so wichtig, dass du nicht warten kannst wie alle anderen, was?«
    »Das stimmt«, bestätigte der Gilg, »denn es geht um Leben und Tod. Ein früher Winter kündigt sich an, und es hat unheimliche Zeichen gegeben. Mein Dorf schickt mich, um die hohen Herren um Hilfe zu bitten für…«
    Weiter kam er nicht – denn der Wachmann stieß ihn so hart vor die Brust, dass er hintenüber kippte und rücklings die Stufen hinunterpurzelte. Dabei stieß er sich den Kopf und zog sich schmerzhafte Blessuren zu.
    »Das ist auch ein Zeichen«, beschied ihm der Wachmann grinsend, »und zwar dafür, dass du dich anzustellen hast wie jeder andere.« Mit dem Kinn deutete der Soldat dorthin, wo die Schlange der Wartenden endete.
    »Aber…«, wollte Leffel einen letzten Versuch unternehmen, doch die sich bedrohlich senkende Spitze der Hellebarde sagte ihm, dass es besser war, nicht mehr zu widersprechen und sich der Weisung des Soldaten zu fügen.
    Die Bauern, die freilich mitbekommen hatten, was ihm widerfahren war, bedachten ihn mit hämischem Grinsen. Leffel war klar, dass sie ihn für einen dreisten Pressierer hielten – für einen, der nicht warten konnte und die gerechte Strafe dafür erhalten hatte. Anfangs versuchte er noch, das Missverständnis aufzuklären, aber dann ließ er es bleiben. Er legte den Sack ab und setzte sich auf dem Boden, die Ellbogen auf den Knien und das Gesicht schmollend auf die Fäuste gestützt.
    Und er wartete.
    Und wartete.
    Wartete…
    Die Fürsten der Stadt ließen sich Zeit.
    Erst am späten Nachmittag, als die Sonne bereits hinter den hohen Häusern verschwunden war, wurde die Pforte geöffnet. Die Schlange war inzwischen so lang geworden, dass sie den Platz gleich zweimal umlief.
    Es ging langsam voran. Nur jeweils eine Person wurde vorgelassen, um ihr Anliegen zur Sprache zu bringen, und Leffel begriff, dass längst nicht alle, die auf eine Audienz warteten, sie an diesem Tag auch bekommen würden. Er hoffte, dass wenigstens er noch zu den Glücklichen gehörte. Schließlich war er in einer dringlichen Mission unterwegs, von deren Gelingen das Schicksal des ganzen Dorfes abhing.
    Zumindest in dieser Hinsicht wurde er nicht enttäuscht. Nachdem er fast den ganzen Tag über geduldig gewartet hatte und die Dämmerung bereits über Iónador hereingebrochen war, durfte er endlich eintreten. Der Wachmann, der ihm den Weg freigab, war derselbe, der ihn am Vormittag die Treppe hinuntergestoßen hatte, und er ließ es sich nicht nehmen, Leffel ein schadenfrohes Grinsen mitzugeben. Der Gilg stieg die steilen Stufen hinauf und betrat die Eingangshalle.
    An den Schießscharten, die zu beiden Seiten des oval geformten Gewölbes verliefen und durch die das rötliche Licht der Dämmerung fiel, standen weitere Wachen, und von der gegenüberliegenden Seite der Halle aus führte ein breiter Korridor noch tiefer ins Innere des

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