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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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für den Gilg verständlicher aus.
    »Ich… ich möchte eine Bitte vortragen. Im Namen des ehrbaren Belmos Grindl, des Magistrats meines Dorfes.«
    Der Hofbeamte nickte und murmelte etwas, das Leffel nicht verstehen konnte. Dann packte er den Gilg am Kragen und zerrte ihn durch die Halle. Auf halber Strecke kam ihnen der Bauer entgegen, der soeben vorgesprochen hatte – in seinen Zügen glaubte Leffel maßlose Enttäuschung zu erkennen.
    Als er merkte, dass sich die Augen aller Anwesenden auf ihn richteten, rutschte dem Gilg das Herz in die Hose. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich dem Griff des Hofbeamten entwunden, um Hals über Kopf davonzurennen. Doch er ermahnte sich, dass dies seine Stunde wäre, seine Möglichkeit, sich zu bewähren und ein vollwertiges Mitglied des heimatlichen Dorfes zu werden, von niemandem mehr geschmäht und von allen geachtet.
    In respektvollem Abstand von der Fürstentafel ließ der Hofbeamte ihn fallen wie eine lästige Bürde. Dann erhob er die Stimme und verkündete laut, wer der nächste Bittsteller war: »Dieser hier wird der Gilg genannt!«
    Daraufhin brach unter den Männern und Frauen des Hofstaats schallendes Gelächter aus. Leffel war es gewohnt, dass die Leute ihn auslachten, aber er errötete dennoch. Eingeschüchtert blickte er zu den Fürsten und dem Standbild auf, das drohend auf ihn herabzublicken schien.
    »So!«, rief Klaigon, der amtierende Regent von Iónador, mit Donnerstimme, und sein großer Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Dein Name ist also der Gilg?«
    »Ei-eigentlich nicht, Herr. Ich heiße Leffel Furr«, verbesserte Leffel. »Gilg nennen mich nur die Leute aus dem Dorf.«
    »Hat man dich keine Manieren gelehrt, Gilg? Willst du die Mütze nicht abnehmen, wenn du vor deinem Herrscher stehst?«
    Erst da erinnerte sich Leffel an die wollene Kappe auf seinem Kopf – da er sie Tag und Nacht trug, war sie ihm zur zweiten Haut geworden, an die er kaum noch dachte.
    »N-nein, Herr«, sagte er stammelnd und hielt die Kappe fest, als fürchte er, sie könnte ihm von einem der Anwesenden vom Kopf rissen werden. »Die muss bleiben, wo sie ist.«
    Der Fürstregent verzog das Gesicht. »Dann sollten wir deine Kappe mit ein paar Schellen versehen, damit du dich bei mir als Hofnarr verdingen kannst.«
    Wieder erklang Gelächter, aber Leffel erkannte wohl, dass längst nicht alle, die lachten, es auch ehrlich meinten. Klaigon hingegen schien es nicht zu bemerken, oder es kümmerte ihn einfach nicht. Die beringten Finger glänzend von Fett, nagte er an einer Gänsekeule – und Leffel gestand sich ein, dass der Fürstregent ganz anders aussah, als er ihn sich während des Marsches ausgemalt hatte.
    Klaigon war kein hoher, edler Herr mit wohlwollender Miene und wallendem Haar, sondern ein dickleibiger, aufgedunsener Zeitgenosse, der Leffel entfernt an Magistrat Grindl erinnerte. Das Haupt des Fürstregenten war so kahl und glatt wie der große Fels an der Mühle, auf den Leffel sich beim Angeln zu setzen pflegte, und ein Ausdruck der Grausamkeit spielte um seinen breiten Mund, während die schmalen Augen den Gilg spöttisch taxierten. Leffel musste an sich halten, um sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen – so hatte er sich den Herrscher von Allagáin ganz gewiss nicht vorgestellt.
    Andererseits, sagte er sich, durfte er nicht denselben Fehler begehen wie die Leute aus dem Dorf und sich von Äußerlichkeiten blenden lassen. Klaigon war Fürstregent und dafür musste es Gründe geben. Er mochte nicht aussehen wie ein edler Herr, aber ganz sicher kannte er die Pflichten, die er seinen Untertanen schuldig war.
    Indem er all seinen Mut zusammennahm, rief Leffel laut: »Bitte, Euer Gnaden, macht Euch nicht lustig über mich! Ich bin von weither gekommen, um Euch die Nöte und Ängste meines Dorfes vorzutragen.«
    »So?«, fragte der Fürstregent schmatzend. »Dann erzähl mir davon, mein guter Gilg. Wir hören gern unterhaltsame Geschichten. Nicht wahr, meine Freunde?«
    Die Edelleute, die mit ihm bei Tisch saßen, bekundeten lachend ihre Zustimmung – die Hammelkeulen, die gerade hereingetragen wurden, schienen sie allerdings ungleich mehr zu interessieren als Leffels Anliegen.
    »E-es hat Zeichen gegeben«, trug der Gilg dennoch tapfer vor. »Ein strenger Winter kündigt sich an, und der frühe Frost wird einen guten Teil der Ernte vernichten.«
    »Und?«, erkundigte sich Klaigon ungerührt. Obwohl noch einiges Fleisch an der Keule war, warf er sie

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