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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Wappen Iónadors über ihren Kettenhemden, und ihre Helme blitzten im verblassenden Tageslicht. Verstohlen lugte Leffel nach den schweren, schartigen Hellebarden, mit denen sie bewaffnet waren.
    Brav reihte er sich in die Schlange der Wartenden, die den See überqueren wollten. Kaufleute mit ihren Fuhrwerken waren darunter, aber auch Bauern, die in die Stadt kamen, um Vieh und andere Waren zu verkaufen. Dieser hatte ein Schwein dabei, jener eine Kuh, wieder ein anderer führte einen Ochsen am Ring, der einen mit Rüben beladenen Karren zog. Kinder huschten umher und neckten sich kichernd – ein Anblick, der Leffel betrübte. Er hatte nie mit anderen Kindern gespielt, als er noch klein gewesen war. Schon damals hatte man ihn gemieden, und wenn er seine Eltern nach dem Grund gefragt hatte, hatte sein Mutter nur stets das gleiche Sprüchlein aufgesagt.
    Jeder, der in die Stadt wollte, wurde von der Brückenwache kontrolliert und nach dem Grund seines Besuchs gefragt. Die Soldaten trugen grimmige Mienen zur Schau und gingen sehr sorgfältig vor. Entsprechend lange dauerte es, bis Leffel Gilg an die Reihe kam.
    »Du!«, sprach ihn einer der Wachmänner an. »Was hast du in dem Sack?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Leffel wahrheitsgemäß und berichtete mit knappen Worten, woher er kam und worin sein Auftrag bestand.
    »So«, schnaubte der Wachmann spöttisch, »du wünschst also den Fürstregenten zu sprechen!«
    »Jawoll«, bestätigte Leffel und verbeugte sich, was ihm sehr weltgewandt erschien, die Soldaten jedoch zu derbem Gelächter veranlasste.
    »Da könnte ja jeder schmutzige Bauernlümmel kommen!«, fuhr der eine Wachmann ihn an. »Du stinkst wie ein ganzer Pferch Schweine. Pack dich, Kerl, ehe ich dich in den Kerker werfen lasse!«
    »I-ich bitte um Entschuldigung, gnädiger Herr«, stammelte Leffel, der beim besten Willen nicht wusste, was er nun schon wieder falsch gemacht hatte. »Ich will Euch gewiss nicht widersprechen, aber was da stinkt, das bin nicht ich. Es ist dieser Sack, den ich bei mir trage und dessen Inhalt ich den hohen Herren zeigen soll.«
    »So?« Unwirsch griff der Wachmann nach dem Rupfen, und noch ehe Leffel es verhindern konnte, hatte er die Verschnürung gelöst und warf einen Blick hinein.
    Auf einmal wurde der Wachmann kreidebleich, und seine bärtigen Wangen blähten sich. Im nächsten Moment stand er am Brückengeländer und beugte sich weit hinüber. Dabei gab er erbärmliche Geräusche von sich. Offenbar, sagte sich der Gilg, hatte er etwas Unrechtes gegessen.
    »Lasst… ihn passieren…«, brachte der Wachmann würgend hervor, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Sein Gesicht war so weiß wie die Mauern Iónadors. »Hört ihr nicht, was ich sage? Ihr sollt ihn passieren lassen!«
    Die anderen Wachmänner, die vor Leffel die Hellebarden gekreuzt hatten, gaben verwundert den Weg frei. Der Gilg nahm den Sack wieder an sich, zerrte die Verschnürung zu, ohne einen Blick hineingeworfen zu haben (so war es ihm schließlich aufgetragen worden) und überquerte endlich die Brücke.
    Die Distanz zur anderen Seite war größer, als es von weitem den Anschein gehabt hatte. Am Anfang schienen die Mauern und Türme der Stadt sogar in noch weitere Ferne zu rücken, ehe sie schließlich immer größer und trutziger vor Leffel emporwuchsen. Plötzlich kam sich der Gilg ganz klein und unbedeutend vor, und ein Teil von ihm wünschte sich zurück ins ferne Unterland. Dort war er zwar nicht gelitten, aber wenigstens kannte er sich dort aus. An diesem Ort hingegen war ihm alles fremd, und er hatte das Gefühl, dass ihn die Menschen, die mit ihm die Brücke überquerten, alle anstarrten.
    Unter ihnen waren nicht nur Bauern aus dem Unterland, sondern auch Kaufleute aus dem Osten. Er sah zudem kräftig gebaute Oberländer mit langen Bärten und wettergegerbten Gesichtern, aber auch hohe Damen und Herren aus Iónador, deren edle Züge die vornehme Herkunft erkennen ließen.
    So viele Eindrücke stürzten gleichzeitig auf den armen Leffel ein, dass er gar nicht wusste, wohin er zuerst schauen sollte. Als er die Brücke endlich passiert hatte und vorbei an den steinernen Adlern schritt, die das Tor bewachten, meinte er fast, dass sie ihn prüfend anschauten, so als wären sie nicht aus Stein, sondern höchst lebendig.
    Auch am Stadttor gab es Wachen, aber sie begnügten sich damit, die Kaufleute um den Wegezoll zu erleichtern. Bauern und anderes Volk ließen sie ungehindert passieren.

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