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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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den Sack aus Rupfen, den er noch immer bei sich trug. Wie hatte Magistrat Grindl gleich gesagt? Wenn einer der hohen Herren in der Goldenen Stadt an deinen Worten zweifeln sollte, dann öffne den Sack, und man wird dir glauben…
    »Halt!«, rief der Gilg und wollte den Sack aufschnüren – aber die Wächter ließen ihm keine Gelegenheit dazu. Schon hatten sie ihn gepackt, und unter dem schallenden Gelächter des Hofstaats zerrten sie ihn aus dem Saal. Als er sich widersetzte, schlugen sie ihm mit dem flachen Blatt einer Hellebarde auf den Kopf, dass er ganz benommen war. Sie schleppten ihn den Gang hinab und warfen ihn schließlich die Treppe vor dem Turm nach unten. Leffel Furr purzelte über die Stufen und holte sich einige blaue Flecke.
    Da dämmerte ihm, weshalb man ausgerechnet ihn für diesen Auftrag ausgewählt hatte.
    Weil er der Gilg war und dumm genug, einen solchen Auftrag anzunehmen…

 
    9
     
     
     
    »Habt ihr gesehen?«, rief Klaigon seinen Hofschranzen zu. »So macht man das! Man lässt diese dummen Bauern eine Weile reden und wirft sie dann hinaus!«
    »Und wenn er die Wahrheit sprach?«, fragte Dietmann von Ried, ein Angehöriger des Landadels, dessen Burg sich über dem Tal des Allair erhob. »Wenn es tatsächlich unheilvolle Zeichen gab?«
    »Was ist dir, Dietmann? Teilst du etwa den Aberglauben dieser armen Narren? Natürlich ist alles erstunken und erlogen, was sie sagen. Sie sind nur nicht gewillt, ihren Tribut an Iónador zu entrichten. Man tut gut daran, den Funken ihres Widerstands bereits im Keim zu ersticken – notfalls auch mit Waffengewalt. Unsere Armee ist bereit, unsere Interessen jederzeit durchzusetzen. Nicht wahr, mein guter Barand?«
    Barand von Burg Falkenstein, jener auf hohem Fels errichteten Feste, die in der alten Zeit Seabon Leac genannt wurde, saß auf dem Platz neben dem Regenten. Die Züge des jungen Ritters waren angespannt und finster, sein Blick von Unruhe getrieben. Eine Narbe verlief von seinem linken Auge quer über die Wange bis zum Kinn. Stolz trug er die Schärpe des obersten Heerführers. Nicht von ungefähr hatte Klaigon ihm den Oberbefehl über die Armee Iónadors übertragen: In dem großen Turnier, das zur Ermittlung des neuen Marschalls ausgetragen worden war, hatte sich Barand als der mutigste und beste aller Kämpfer erwiesen.
    »Auf Euer Heer ist Verlass!«, versicherte Barand. »Es steht bereit, um Iónador gegen jedweden Feind zu verteidigen, zu jeder Zeit.«
    »Sehr gut.« Klaigon lächelte. »Wie beruhigend, dies zu wissen.« Er wandte sich wieder an die Versammelten. »Ihr seht also, meine Freunde, dass es nichts gibt, worüber ihr euch sorgen müsstet. Wir verfügen über genug tüchtige Kämpfer, die uns notfalls mit ihrem Leben schützen, und wir… Was ist das?«
    Lautes Geschrei drang vom Eingang der Halle her. Im nächsten Moment taumelte, zu aller Erstaunen, ein Wachsoldat in den Saal. Sein Helm war verbeult, und er wankte benommen – bis er schließlich das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Sein Helm und sein Harnisch verursachten schallenden Lärm, als er aufschlug.
    »Was, bei Díurans Erben…?«
    Verblüfft starrten Klaigon und seine Gäste auf die Pforte, durch die im nächsten Moment zwei Männer traten.
    Den einen kannten sie bereits – es war der tölpelhafte Unterländer, den der Regent eben erst hatte hinauswerfen lassen. Der andere Mann war größer und kräftiger und überragte den Gilg um fast zwei Köpfe. Das schwarze Haar trug er kurz geschnitten, das kantige Kinn zierte ein Bart. Dem grünen Rock nach war er Jäger, ein Wildfänger aus den Bergen.
    Klaigon schnaubte verächtlich.
    Er hatte die Wildfänger noch nie leiden können. Sie lebten zurückgezogen in den Bergen und nach ihren eigenen Gesetzen. Sie waren frei und unbeugsam, und viele von ihnen weigerten sich, die Herrschaft Iónadors anzuerkennen und ihren Tribut zu entrichten. Für den Fürstregenten waren sie ein notwendiges Übel, das er in Kauf nehmen musste, wenn er Wildbret auf dem Tisch haben und sich in feines Leder kleiden wollte. Dennoch hatte er schon mehrfach mit dem Gedanken gespielt, mit Gewalt gegen die Wildfänger vorzugehen und sie zu lehren, wer ihr Herrscher war.
    »Bist du der Fürstregent?«, fragte der Wildfänger in dem strengen Dialekt, der den Bergbewohnern zu eigen war. »Bist du Klaigon?«
    »Der bin ich!«, antwortete der Regent erhobenen Hauptes. »Daher würde es dir gut zu Gesicht stehen, mir mehr Respekt zu erweisen –

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