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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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heißt auch, dass ein Mann eurer Zunft ein gegebenes Wort niemals bricht.«
    »Das ist wahr«, bestätigte Alphart.
    »Wir werden sehen«, sagte Klaigon gleichmütig. »Bei Tagesanbruch werdet ihr die Stadt verlassen. Und wehe euch, wenn ihr eure Mission nicht erfüllt…«

 
    10
     
     
     
    Der Dunkelwald trug seinen Namen zu Recht.
    Jenseits der Hügel und Täler Allagáins mit ihren sorgsam bestellten Ackern und Feldern erhoben sich im Norden knorrige Eichen und schwarzgrüne Tannen. Wie stumme Wächter bildeten sie den Rand des Waldes. Was sich jenseits dieser Grenze verbarg, wussten nur sehr wenige. Denn wer sich in den Dunkelwald wagte, kehrte gemeinhin nicht von dort zurück.
    Den meisten Allagáinern wäre es ohnehin nie in den Sinn gekommen, auch nur einen Fuß in den Wald zu setzen. Das Holz, das sie zum Bau ihrer Hütten und für die Feuer in ihren Kaminen benötigten, holten sie sich aus den kleineren Wäldern des Landes, die nicht zu vergleichen waren mit dem weitläufigen Dunkelwald.
    Düstere Geschichten rankten sich um dieses riesige Waldgebiet und um seine Bewohner – Geschichten über schaurige Baumgeister, menschenfressende Hexen und reißende Wolfsbestien. Die einen sagten, im Dunkelwald würde es spuken, andere glaubten, dass dort noch jene Kräfte wirkten, welche die Welt einst erschaffen hatten. Wer sich dem Wald näherte, der vernahm aus seinen Tiefen ein dumpfes Ächzen und Rumoren, das vom Wachsen der Bäume und vom ständigen Werden und Vergehen kündete.
    Dennoch lebten tief in diesem Waldgebiet auch Menschen. Weder waren es Allagáiner, noch waren sie mit den Iónadorern verwandt. Es handelte sich um das Waldvolk, gegen das die Bewohner des Berglandes von alters her tiefen Groll hegten. Es war einst von Osten gekommen, aus dem Land weit jenseits des Leathan, wovon ihre sehnigen Körper und ihr blondes bis rötliches Haar zeugten.
    Viele Kriege waren zwischen den Waldbewohnern und den Allagáinern geführt worden, und wie es hieß, wandelten die Seelen der in den Schlachten Gefallenen noch immer im Dunkelwald umher und suchten vergeblich nach einem Weg hinaus, auf ewig dazu verdammt, als Irrlichter arglose Wanderer vom Pfad abzubringen.
    Die Kreaturen, die den Dunkelwald zu nächtlicher Stunde durchquerten und sich mit ihren Klingen einen Weg durch das unwegsame Unterholz schlugen, vermochten diese Geschichten jedoch nicht zu erschrecken. Denn sie waren selbst Ausgeburten der Finsternis, und ein Schreckgespenst fürchtete das andere nicht.
    Es waren Erle – oder Erks, wie sie sich in ihrer eigenen Sprache nannten. Grässliche Wesen mit gedrungenen Körpern, die schnüffelnd und grunzend den Wald durchstreiften, der Witterung ihrer Beute folgend. Ihre eitergelben Augen leuchteten im Dunkeln, und ihre gefährlichen Krallen umklammerten schartige Schwerter und wuchtige Äxte, deren Klingen und Blätter längst Rost angesetzt hatten, weil sie lange nicht in Gebrauch gewesen waren.
    Dies sollte sich in Kürze ändern.
    Der Ruf ihres finsteren Herrschers hatte die düsteren Klüfte von Dorgaskol erreicht und die Erle aus ihren Verstecken gelockt. Muortis’ Heer sammelte sich erneut, und seine Späher durchstreiften bereits die Täler.
    »Ein lauschiges Plätzchen«, murmelte einer von ihnen in der hässlichen Sprache seiner Art. »Findest du nicht auch, Lorga?«
    »Schweig, du Idiot!«, fuhr ihn der Erl an, der an der Spitze des Zuges schritt. Er war größer als alle anderen und trug nicht ledernes Rüstzeug wie die Übrigen, sondern einen Brustpanzer aus rostigem Eisen. Auf seinem klobigen Schädel saß ein ebenso rostiger Helm, und sein rechtes Auge wurde von einer ledernen Klappe bedeckt, die auf sein Schweinsgesicht genagelt war. Bei einem der Kämpfe, die unter den streitsüchtigen Erlen an der Tagesordnung waren, hatte er es eingebüßt. Aus der Haut seines Gegners, der es ihm ausstach, hatte sich Lorga einen Gürtel gefertigt, an dem die Scheide seines Schwerts und das Halfter seines Dolchs baumelten.
    »Was ist mit dir, Lorga? Witterst du es nicht? Da sind Menschen, ganz in der Nähe. Ihr Blut riecht süß und frisch.«
    Lorga grunzte nur. Natürlich hatte auch er längst den Geruch von Menschenfleisch wahrgenommen. Er hatte diesen Geruch auch sofort einordnen können, obwohl ihre letzte Begegnung mit Menschen lange zurücklag.
    Abgesehen von den wenigen Wanderern, die sich hin und wieder nach Düsterfels verirrten, hatten sich die Erle in den vergangenen Jahrhunderten von

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