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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Schlangen, Mäusen, Ratten und anderem niederen Viehzeug ernährt – und gelegentlich, wenn die Winter lang und hart gewesen waren, war es auch vorgekommen, dass sie übereinander hergefallen waren. Nun jedoch hatte das Darben ein Ende, denn die Erle hatten den Befehl erhalten, aus ihren dunklen Löchern zu kriechen und den Bergwall zu überqueren. Und das bedeutete, dass schon sehr bald wieder Menschenfleisch ihre Mägen füllen würde.
    Sehr bald – aber noch nicht an diesem Tag, ermahnte sich Lorga. Erst musste der Plan funktionieren, erst dann durften sie die Menschen, die sie erschlugen, auch fressen…
    Der Erl, der hinter ihm marschierte, gab dennoch keine Ruhe. »Ich rieche sie«, fing er erneut an und rümpfte den Rüssel. »Sie sind ganz in der Nähe.«
    »Wirst du wohl still sein!«, blaffte Lorga ihn an und ballte die Hand zur Faust. »Willst du, dass sie gewarnt werden und fliehen, Dummkopf? Halt dein verdammtes Maul, oder ich stopfe es dir!«
    Der vorlaute Gefolgsmann beschloss daraufhin, lieber still zu sein. Den Kopf zwischen die ledergepanzerten Schultern gezogen, ließ er sich ein Stück zurückfallen, denn Lorgas Zorn war berüchtigt.
    In diesem Augenblick kehrten die beiden Späher zurück, die der Anführer ausgeschickt hatte. Auf allen vieren wie die Tiere, die sie einst gewesen waren, ehe Muortis’ dunkle Künste ihnen die Fähigkeit zu sprechen und sich aufrecht zu bewegen gegeben hatte, krochen sie durch das Unterholz.
    »Und?«, fragte Lorga. »Was habt ihr gesehen?«
    »Ein Dorf der Menschen«, antwortete einer der beiden Späher, ein ungewöhnlich hagerer Kerl, von dessen Rüssel ein Stück fehlte.
    »Wie viele sind es?«
    »Nicht sehr viele. Und es gibt kaum Krieger dort. Nur ein paar alte Männer halten Wache, der Rest liegt in den Hütten und schläft tief und fest.«
    »Nicht mehr lange«, sagte Lorga und lachte grunzend.
    Dann wandte er sich seinen Leuten zu und wies sie an auszuschwärmen. Der Angriff würde nach erkischer Taktik erfolgen, ungeordnet und von allen Seiten zugleich. Ein altes Sprichwort besagte, dass Blutdurst der beste Feldherr wäre. Und außerdem – hatte ein Erl erst Blut geleckt, konnte ihn auch ein noch so energischer Häuptling nicht mehr zurückhalten. Dann wollte er nur noch morden und vernichten, denn dies war der einzige Sinn seines Daseins.
    Durch dichtes Unterholz ging es voran, unter tief hängenden bemoosten Ästen hindurch, den Spähern hinterher, welche die Führung übernommen hatten. Auch Lorga plagte inzwischen der Blutdurst. Die klobige Axt lag in seinen bebenden Klauen, und er konnte es kaum erwarten, den ahnungslosen Menschen damit den Tod zu bringen.
    Das Dickicht lichtete sich. Blasses Mondlicht drang von oben durch das Geäst und von vorn flackernder Feuerschein. Unmittelbar vor ihnen befand sich die Siedlung der Menschen, dort hatten sie ihre Behausungen errichtet.
    Im Schutz mannshoher Farne pirschten sich die Erle bis an den Rand der Siedlung – ein Dorf der Waldmenschen, welche die Bäume als lebende Wesen verehrten. Für einen Erl war diese Einstellung nicht nachzuvollziehen und geradezu lachhaft.
    Auf mächtigen Eichen waren hölzerne Plattformen errichtet, auf denen wiederum runde Häuser thronten – Hütten mit Wänden aus Lehm und Dächern aus Borke, die ganzen Sippen Schutz und Obdach boten. Vor den Eingängen hingen gestreifte Decken in unterschiedlichen Farben, um die einzelnen Familien zu kennzeichnen.
    Auch darüber konnte Lorga nur lachen. Für einen Erl spielte die Abstammung keine Rolle. Das Einzige, was einen Erl von einem anderen unterschied, waren die Größe seines Mutes und seiner Kraft. Wer die Schädel seiner Rivalen am besten zu spalten verstand, wurde zwangsläufig zum Anführer.
    Untereinander verbunden waren die Plattformen durch hölzerne Stege, die in luftiger Höhe ein dichtes Geflecht bildeten. Die Eichen standen in einem weiten Kreis. In dessen Zentrum befand sich ein moosüberwucherter Findling, um den allerhand Opfergaben verstreut lagen. Lorga hatte von der Eigenheit der Menschen gehört, zu höheren Wesen zu beten und ihnen Opfer darzubringen – ein weiterer Brauch, der in den Augen eines Erls nur Verachtung verdiente.
    Rings um den Findling loderten mehrere Feuer. Ihr unsteter Schein beleuchtete die Baumhäuser und warf züngelnde Schatten auf die Gesichter der Erle. Lorga konnte die Wachen sehen, die die Menschenbrut aufgestellt hatte – nur drei Mann an den Feuern und fünf weitere oben auf den

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