Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Vorbild zu sein – und unvermittelt erreichten sie das Ziel ihres Marsches.
Vor ihnen endete der Stollen und fiel jäh in einen senkrecht verlaufenden Schacht ab, der sich sowohl nach oben als auch nach unten in unergründlicher Dunkelheit verlor. In der Mitte des Schachtes jedoch und direkt vor ihnen schwebte – die Gefährten konnten es kaum glauben – ein kunstvoll verziertes goldenes Horn…
»Das Sylfenhorn«, entfahr es Leffel, der sich staunend die Augen rieb. »Wir haben es tatsächlich gefunden.«
»Sieht ganz so aus«, stimmte Alphart zu. »Allerdings wundert es mich, dass dieser Ort nicht besser bewacht wird.«
»Du hast den Grund dafür doch selbst genannt«, wandte Walkar ein. »Muortis hat jeden Unhold, den er entbehren kann, nach Allagáin geschickt.«
»Wenn schon«, knurrte der Wildfänger. »Ein Gegenstand wie dieser…«
»Muortis braucht das Horn nicht bewachen zu lassen«, meldete sich Erwyn wieder leise zu Wort.
»So? Und weshalb nicht?«
»Weil es sich selbst bewacht. Seht ihr das grüne Leuchten, das das Horn umgibt?«
»Allerdings.« Alphart nickte.
»Wer auch immer versucht, das Horn an sich zu nehmen, wird von diesem Leuchten für seinen Frevel bestraft«, wusste Erwyn zu berichten.
»Auf welche Weise?«
»Schmerzen«, entgegnete der Junge nur – worauf der Wildfänger dennoch die Hände nach dem Horn ausstreckte, um es zu berühren.
Es wiederholte sich, was geschehen war, als Erwyn nach dem Horn gegriffen hatte – das unheimliche grüne Leuchten dehnte sich innerhalb eines Herzschlags aus, hüllte den Jäger ein und schleuderte ihn zu Boden.
Stöhnend lag er da. Er brauchte einen Moment, um sich von dem magischen Schlag zu erholen.
»Ich habe es dir gesagt«, konnte sich Erwyn ein wenig Besserwisserei nicht verkneifen.
»Dennoch«, knurrte Alphart trotzig, während er sich wieder auf die Beine raffte, den brennenden Schmerz auf seiner Haut so gut wie möglich ignorierend, »es muss einen Weg geben, an das verdammte Ding heranzukommen. Wir werden nicht ohne das Horn gehen, wo es doch so dicht vor unseren Augen schwebt.«
»So dicht und doch unerreichbar«, wandte Erwyn ein.
»Es muss einen Weg geben«, beharrte Alphart, »und wir müssen ihn finden. Strengt eure Spatzenhirne an.«
»Vielleicht war das ja Muortis’ Absicht«, überlegte Leffel.
»Was meinst du damit?«
»Es bedarf keiner Wachen, um Diebe abzuwehren – die Gier nach dem Horn sorgt dafür, dass sie es nicht bekommen.«
»Großartig.« Alphart schnaubte verächtlich. »Genau das hat uns gefehlt. Hast du noch mehr kluges Geschwätz auf Lager, Gilg? Dann nur zu, immer freiheraus damit!«
»Nun«, fuhr Leffel unbeirrt fort, während er sich nachdenklich die Knollennase rieb, »wir wissen, dass sich Muortis dunkle Gefühle zunutze machen kann. Denkt nur daran, wie du dich aus Verzweiflung fast in den Tod gestürzt hättest…«
»Komm zur Sache!«, brummte Alphart, der nicht daran erinnert werden wollte.
»Angenommen, ich habe recht und dieser grüne Schein reagiert tatsächlich auf die negativen Empfindungen in uns, auf unsere Furcht, auf unsere Gier, auf unseren Willen, Muortis zu vernichten…«
»Was dann?«
»Dann müsste jemand danach greifen, der all das nicht will. Jemand, dessen Wesen friedfertig ist, der ein mutiges Herz hat und der dennoch nicht in hundert Jahren auf den Gedanken käme, das Horn des Helden Danaón für sich selbst zu beanspruchen.«
»Was du nicht sagst«, schnaubte Walkar verdrossen. »Und wer von uns sollte das sein?«
»Na – ich«, erwiderte Leffel so leise, dass man ihn kaum noch hören konnte. »Denn ich will niemandem Schaden zufügen, und das Horn will ich ganz bestimmt nicht haben…«
Die übrigen Gefährten wechselten erstaunte Blicke. Jeder musste eingestehen, dass die Argumentation des Gilg etwas für sich hatte. Yvolar hatte wiederholt davon gesprochen, dass es die Stärke des Nebelherrn war, sich die dunkelsten Wünsche und die negativen Empfindungen der Menschen zunutze zu machen und sie so auf seine Seite zu ziehen. Vielleicht hatte Leffel ja recht – wenn nicht, würde er es am eigenen Leib zu spüren bekommen. Zu verlieren hatten sie jedenfalls nichts…
»Wir wollen nicht lang fluchen! Der Gilg soll es verstauen!«, forderte Mux, um entsetzt die Hände auf den Mund zu pressen, als er begriff, was da aus seinem Mund gepurzelt war – so hatte er es ganz gewiss nicht sagen wollen…
Leffel, der nichts ohne Alpharts Zustimmung wagen wollte, sandte
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