Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
bedeuten.
Vielleicht, dachte der Wildfänger grimmig, war dies der Preis, den das Sylfenhorn für seine Dienste forderte…
»Einen Augenblick!«, schrie Erwyn plötzlich gegen das Lärmen und tosen an.
»Was?«, fragte Alphart.
»Was ist mit den Schilden der Vergessenen? Wir könnten sie als Schlitten benutzen…«
Es blieb keine Zeit, den Einfall des Jungen zu hinterfragen. Alphart fragte sich nur, warum er nicht selbst darauf gekommen war. Erwyn hatte seinen Schild in der Gefangenschaft der Erle eingebüßt, Alphart und Leffel jedoch trugen die ihren noch immer auf dem Rücken. Hastig luden sie die leichten, aber stabilen Gebilde aus Fellhornhaut ab, und die Umhänge und Proviantsäcke zurücklassend, sprangen sie in die wannenförmigen Schilde, Alphart und Mux in den einen, Erwyn und Leffel in den anderen – und eine atemberaubende Rutschpartie begann.
Schon hatten die Vorboten der Lawine sie eingeholt. Das Tosen der Eismassen dröhnte in ihren Ohren und übertönte alles andere, und eine weiße Schneewolke hüllte die Gefährten ein; sie konnten kaum noch etwas sehen, aber sie spürten, wie es steil und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit bergab ging.
Wasser stieg in Alpharts Augen, eisiger Fahrtwind peitschte ihm ins Gesicht. Das Gefühl jedoch, das er in diesem Augenblick empfand, war so überwältigend, dass er nicht anders konnte, als einen gellenden Jauchzer auszustoßen. Niemals zuvor in seinem Leben hatte sich der Wildfänger so frei gefühlt, niemals zuvor war er so dankbar dafür gewesen, am Leben zu sein.
Noch…
So rasant die Abfahrt auf den zweckentfremdeten Schilden war, die losgelösten Eismassen, die zu Tal donnerten, waren schneller, und mit jedem Meter wuchs die Lawine noch an, wurde sie größer und ihre Wucht vernichtender. Vergeblich suchte Alphart nach einem Weg, ihr zu entkommen – zur Rechten wurde der Hang von einem steil aufragenden Felsmassiv begrenzt, das schemenhaft vorbeirauschte, zur Linken verlor er sich in weißen Schneewolken. Was also blieb anderes, als die Zähne zusammenzubeißen und auf ein Wunder zu hoffen?
Da tauchte vor ihnen ein Bergwald auf! Sie hatten die Baumgrenze hinter sich gelassen und würden gegen die mächtigen Stämme krachen, die sich vor ihnen erhoben!
Der Wildfänger raste auf seinem Schild in die Tiefe, auf den Wald zu, dicht gefolgt von Erwyn und Leffel – und plötzlich war die Felswand zu seiner Rechten nicht mehr da!
Alphart tat das Einzige, was ihm in seiner Not noch einfiel – er stemmte den rechten Fuß in den Schnee, worauf der behelfsmäßige Schlitten zu dieser Seite hin ausbrach. Leffel, der ihm dichtauf folgte, beobachtete das waghalsige Manöver und tat es dem Wildfänger gleich – und im nächsten Moment hatten sie die Bahn verlassen, auf der die Lawine niederging.
Während die Schlitten mit atemberaubendem Tempo den Südwesthang hinabschossen, brachen die Eismassen in den Bergwald. Ein infernalisches Bersten und Knacken ertönte, als Baumstämme umgeknickt wurden und zersplitterten. Die Gefährten jedoch waren der tödlichen Eisflut entronnen und konnten im Westen das Obertal ausmachen und weit jenseits davon die ferne Mauer des Bálan Bennian.
Zum ersten Mal nach langer Zeit erblickten die Freunde ihre Heimat wieder, sahen die Hügel und Fluren Allagáins, die vom Licht der untergehenden Sonne in goldenen Schein getaucht wurden – und sie wussten, dass sie gerettet waren.
70
Muortis mochte besiegt sein, die Herrschaft des Eises gebrochen – Iónador jedoch, die Goldene Stadt am Fuß des Schildbergs, war dem Untergang geweiht. Der Große Turm war vernichtet und mit ihm die Stütze, die den Schildberg getragen hatte.
Unter entsetzlichem Getöse brach der giáthin, der riesige Schild aus Fels, der sich jahrtausendelang über die Stadt gebreitet und dem Berg seinen Namen gegeben hatte, in sich zusammen. Langsam, fast zögernd neigte sich der gewaltige Überhang, um schließlich mit furchtbarer Gewalt herabzubrechen und die Häuser und Paläste, die Türme und Mauern der Stadt unter sich zu zermalmen.
Ein letztes Mal funkelten die goldenen Dächer der Stadt im Licht der untergehenden Sonne, ehe sich der Schatten des Untergangs über sie senkte und die losgelösten Felsmassen sie unter sich begruben, begleitet von infernalischem Donner, der von der Wand des Bálan Bennian widerhallte.
Die Trümmer Iónadors wurden von der Wucht der Zerstörung in den Spiegelsee gedrückt, und die Brücke, die sich seit
Weitere Kostenlose Bücher