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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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rostigen Stacheln versehen. Die Körpergröße des Unholds betrug an die zwei Mannslängen, was bedeutete, dass er sich bücken musste, um in das Kerkerloch zu schauen. Die einen erzählten sich, dass der Blutbercht ein ferner Nachkomme jener Enze wäre, die in längst vergangener Zeit die Berge Allagáins bevölkert hatten; andere behaupteten, er wäre ein gewöhnlicher Sterblicher, der irgendwann Menschenfleisch gegessen hätte und durch diesen Frevel zum Ungeheuer geworden wäre. Den Gefährten konnte es freilich einerlei sein, ob er ein zu kurz geratener Riese war oder ein zum Riesen entarteter Mensch – im Kessel des Unholds machte dies keinen Unterschied…
    »Nun?«, fragte der Blutbercht mit seiner Stimme, die an das Knirschen rostiger Nägel erinnerte. »Habt ihr euch entschieden? Wenn ihr wüsstet, wie sehr ich mich darauf freue, endlich einmal etwas anderes zwischen die Zähne zu bekommen als das faulige Fleisch der widerlichen Erle.«
    Erwyn, Leffel und Mux hatten sich in den hintersten Winkel der Kerkerzelle verkrochen, obwohl es auch dort keinen Schutz vor der blutrünstigen Kreatur gab. Walkar hatte sich auf alle viere niedergelassen und fletschte die Zähne wie ein Raubtier in Bedrängnis – seine Instinkte schienen ihn dazu zu zwingen, auch wenn ihm die Möglichkeit zur Verwandlung genommen war. Alphart war aufgesprungen und starrte auf die grässliche Erscheinung. Doch im Vergleich zu der ersten Begegnung mit dem Blutbercht hatte sein Entsetzen ein wenig nachgelassen. Er ballte die Hände in hilflosem Zorn, blieb aber stehen und rührte sich nicht mehr.
    Anders Urys.
    Gefasst und mit bewundernswerter Ruhe trat der Zwerg auf die Gitterstäbe zu. »Ja, wir haben uns entschieden, Unhold«, entgegnete er mit fester Stimme, »und die Wahl ist auf mich gefallen.«
    »Ein Zwerg?« Ein wenig enttäuscht hob der Bercht die Braue über dem trüben Auge.
    »Na und?«
    »Mir recht«, knirschte es zurück. »Fresse ich dich eben als Vorspeise.« Von seinem Gürtel löste der Blutbercht einen Schlüssel und steckte ihn in das rostige Schloss. Es rasselte und knirschte, dann sprang es mit metallischem Klicken auf, und das Gitter öffnete sich quietschend. »Heraus mit dir, Zwerg. Raus aus der Höhle und rein in meinen Magen.« Der Bercht lachte röhrend.
    Ohne Zögern trat Urys vor. Nachdem er seine Gefährten mit einem letzten Blick bedachte, der auf Erwyn ein wenig länger verweilte als auf den anderen, wollte er das Kerkerloch verlassen. Alphart jedoch hielt ihn zurück.
    »Warte!«, raunte der Wildfänger ihm zu. »Bist du sicher, dass du das wirklich tun willst?«
    »Ich hatte den kürzeren Strohhalm, oder nicht?«, fragte Urys.
    Alphart nickte und ließ ihn weitergehen. Der Zwerg passierte die offene Gittertür und verließ damit die Zelle – auf der anderen Seite erwartete ihn bereits die Pranke des Unholds, die so groß war, dass sie seinen Kopf mühelos hätte zerquetschen können. Der Blutbercht lachte und wollte nach der Beute greifen, die sich ihm so bereitwillig darbot – als plötzlich Leben in den eben noch so lethargisch wirkenden Urys kam!
    Völlig unerwartet warf er sich nach vorn, und mit einer Behändigkeit, die sein Häscher ihm bestimmt nicht zugetraut hatte – sein Kettenhemd hatte er eigens abgelegt und in der Zelle zurückgelassen –, schlitterte er bäuchlings zwischen den Beinen des Riesen hindurch. Die Pranke des Unholds griff ins Leere.
    Schnaubend fuhr er herum, um nachzugreifen, und bekam den Zwerg zu fassen. Dabei ließ er jedoch die offene Zellentür aus den Augen.
    »Jetzt!«, brüllte Alphart – und sie alle handelten. Waffen, mit denen sie sich zur Wehr setzen konnten, hatten sie nicht, wohl aber den Mut der Verzweiflung.
    Mit einem Gebrüll, das einem ausgewachsenen Bären zur Ehre gereicht hätte, setzte Walkar durch den offenen Ausgang und sprang den Bercht an wie ein Raubtier. Schon war er auf seinem Rücken und umklammerte von hinten seinen Hals, um ihn zu würgen. Alphart griff nach einem der losen Kettenenden, die vom Oberkörper des Unholds baumelten. Mit aller Kraft zog und zerrte er daran, um den Riesen zu Fall zu bringen – und bekam dabei Hilfe: Erwyn und Leffel eilten hinzu, ebenso Mux, dessen Federgewicht allerdings kaum etwas bewirkt hätte. Stattdessen verlegte sich der Kobling darauf, mit atemberaubender Geschwindigkeit an dem Unhold emporzuklettern und ihm im wahrsten Sinn des Wortes auf der Nase herumzutanzen.
    »Nun wirst du sehen, was es setzt, wenn

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