Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
du«, konterte der Drache. »Noch immer riskierst du dein Leben für die Sterblichen, du törichter alter Mann.«
»Du nennst mich einen Toren? Und dennoch bist du gekommen, mich zu retten?«
»Ein Freund brauchte Hilfe«, erwiderte Fyrhack, als würde das alles erklären.
»Warum?«, fragte Yvolar.
»Warum was?«
»Warum bist du gekommen? Sagtest du nicht, dass der Kampf gegen Muortis vergebens wäre? Dass die Sterblichen ohnehin ihren Untergang heraufbeschwören würden? Dass die Zeit der Mythen unwiderruflich vorüber ist?«
»Das sagte ich«, bestätigte der Drache, »und das glaube ich noch immer.«
»So bist du gekommen, weil du die Rechtmäßigkeit von Dochandars Anspruch anerkannt hast«, vermutete der Druide. »Du willst das Bündnis erneuern, das vor langer Zeit geschlossen wurde.«
»Auch das nicht.« Fyrhack schüttelte das riesige Haupt. »Als ich sagte, dass ich die Gegenwart des Jungen nicht spüren kann, war das die Wahrheit.«
»Warum bist du dann hier?«
»Weil ich nicht zulassen kann, dass all die Opfer, die meine Art gebracht hat, umsonst gewesen sind. Wenn Muortis letztendlich doch triumphiert, wäre der Untergang der Drachen völlig sinnlos gewesen. Das will ich nicht zulassen.«
»Ich… verstehe«, erwiderte Yvolar mit einem unterdrückten Stöhnen. Die Wunde schmerzte höllisch, und das Gift war weiter auf dem Vormarsch. Schon konnte der Druide die Kälte fühlen, die nach seinem Herzen griff, und er wandte seine letzte verbliebene Geisteskraft dazu auf, sie einzudämmen.
»Du bist verwundet«, wiederholte der Drache seine anfängliche Feststellung. »Ich werde dich in meine Höhle bringen. Dort kann ich dich heilen.«
»Nein«, widersprach Yvolar, »dazu ist keine Zeit. Ich muss ins Tal des Allair, so rasch wie möglich.«
»Aber…«
»Alter Freund, ich bitte dich.« Indem der Druide den letzten Rest verbliebener Körperkraft zusammennahm, gelang es ihm, sich an seinem Stab auf die Beine zu ziehen. »Grässliche Dinge geschehen im Tal des Allair. Gelingt es uns nicht, dem so schnell wie möglich ein Ende zu setzen, hat Muortis gewonnen.«
»Nun gut.« Obwohl es Fyrhack anzumerken war, dass er die Ansicht des Druiden nicht teilte, nickte er. Dann ließ er sich auf seine Vorderläufe nieder und senkte das Haupt, sodass Yvolar in seinen Nacken steigen konnte. Als der Drache erkannte, dass der Druide kaum mehr die Kraft dazu hatte, half er ein wenig nach, indem er ihn sanft mit der Schnauze bugsierte. »Wirst du dich festhalten können?«, fragte er.
»Sorge dich nicht um mich, alter Freund. Wieder auf deinem Rücken zu sitzen wie einst erfüllt mich mit neuer Kraft.«
»Wird sie ausreichen, um dem Gift zu widerstehen?«
»Das weiß allein der Schöpfergeist. In seinen Händen liegt unser Schicksal. Nicht nur das meine und das deine, Fyrhack – sondern das der ganzen Welt…«
8
Als der Blutbercht zurückkehrte, geschah es ohne Vorwarnung.
Die schleppenden, geräuschvollen Schritte des Unholds waren diesmal nicht zu hören gewesen. Und offenbar hatte Mux der Kobling nicht nur seine Fähigkeit, lustige Reime zu sprechen, verloren, sondern auch die, Gefahren zu erahnen…
Plötzlich und unvermittelt tauchte der Blutbercht vor der Kerkerzelle auf.
»Da bin ich wieder!«
Die Gefährten schreckten auf. Voller Entsetzen starrten sie auf das entstellte, von Narben und Warzen übersäte Gesicht des Riesen. Das eine Auge war pupillenlos und trübe, das andere starrte dafür umso hasserfüllter auf die wehrlosen Gefangenen. Eine riesige Hakennase ragte über den großen Mund mit den wulstigen Lippen, zwischen denen schiefe gelbe Zähne zu sehen waren. Der faulige Atem des Bercht war noch widerlicher als der Blutgeruch, den er verbreitete.
Bekleidet war er mit schmutzigen Fetzen, die grob zusammengenäht waren und mit Stricken an seinem Körper gehalten wurden: Stücke von ungegerbtem Tierfell, aber auch die ledrige Haut von Erlen fanden sich darunter. Rostige Ketten waren um seinen breiten Oberkörper geschlungen, an denen die Knochen und das Kopfhaar erschlagener Feinde und verspeister Opfer hingen. Auf dem unförmigen Haupt des Blutbercht saß die braune Wollmütze, der er seinen Namen verdankte und die er mit dem Lebenssaft seiner bedauernswerten Opfer immer wieder rot zu färben versuchte; von all dem geronnenen Blut war sie hart geworden wie ein Helm.
Seine Bewaffnung bestand aus einer Keule, die beinahe so groß war wie ein ausgewachsener Mann und mit
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