Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Eingang her, der von einem Fell nur unzureichend bedeckt war.
Argwöhnisch blickte Alphart an sich herab, aber da waren keine Fesseln, die ihn hielten, lediglich eine Decke aus Bärenfell, die über seinen nackten Körper gebreitet war.
Sein Verlangen, herauszufinden, wohin es ihn verschlagen hatte, wurde plötzlich übermächtig. Schwerfällig richtete er sich auf, und indem er die Zähne zusammenbiss und das Hämmern in seinem Schädel ignorierte, gelang es ihm, sich auf die Beine zu raffen. Wankend stand er da, zum ersten Mal nach wie langer Zeit? Seine Knie waren weich und seine Oberschenkel zitterten, aber mit eisernem Willen zwang er sich, in Richtung Ausgang zu stapfen. Er hatte noch keine zwei Schritte getan, da verließen ihn seine Kräfte bereits wieder. Alphart wankte dennoch weiter, legte das letzte Stück mehr im Fallen als aufrecht gehend zurück. Er erreichte den Fellvorhang und wollte sich daran festhalten, aber die Befestigung gab nach. Bäuchlings fiel der Wildfänger zu Boden – dass er sich nicht das Gesicht blutig schlug, lag an dem Fell, das seinen Sturz milderte.
Gleißend helles Tageslicht umgab ihn plötzlich und schmerzte in seinen Augen. Er zwang sich dennoch, sie offen zu halten, und eine Lawine an Eindrücken brach über ihn herein, die er weder einordnen noch deuten konnte.
Die Eingänge von Höhlen.
Brennende Lagerfeuer.
Darum versammelt gedrungene Gestalten mit großen Schädeln.
Und eine unförmige, fellbesetzte Kreatur, von der er annahm, dass er sie schon einmal gesehen hatte, ohne sich jedoch genau daran zu erinnern.
Der Wildfänger hörte noch, wie jemand seinen Namen rief.
Dann verschlang ihn wieder die Dunkelheit.
13
Steinern und riesig wie ein Denkmal erhob sich die gewaltige Säule des Túrin Mar aus dem Häusermeer Iónadors.
Einst, so hieß es, hätte der Enz Celebar den Großen Turm mit bloßen Händen aus dem Fels des Giathin Bennan gehauen; seither stützte der Túrin Mar den mächtigen Überhang, der sich wie ein riesiger Schild über der Goldenen Stadt wölbte und nach Süden hin mit dem Rest des Berges verwachsen war. Auf diese Weise schirmte der Schildberg Iónador ab vor Wind und Wetter und vor allen Feinden, die sich von Süden nähern wollten; nach Norden hingegen bildeten die eisigen Fluten des Spiegelsees eine natürliche Grenze. Nur eine einzige Brücke führte über den See, die während des Krieges gegen das Waldvolk hart umkämpft gewesen war; seither hatte nie wieder ein Feind seinen Fuß auf die Brücke gesetzt.
Bis zu diesem Tag…
Vom obersten Balkon des Túrin Mar aus blickte Klaigon auf das in Dunkelheit versinkende Land. Den ganzen Tag über war die Sonne mehr zu erahnen denn wirklich zu sehen gewesen, und noch immer verbarg sie sich hinter dichten Wolken. Ihr letztes Licht sorgte im Westen für blassen Schein, der die Hügelkuppen rötlich färbte, und Klaigon dachte daran, dass sie, wenn sie anderntags wieder aufging, auf eine veränderte Welt blicken würde.
Noch immer war keine Kunde vom Schlachtfeld eingetroffen, aber selten zuvor in seinem Leben hatte der Fürstregent von Iónador einer Nachricht mit größerem Gleichmut entgegengeblickt.
Anders als sein Bruder Karrol, der vor ihm Iónador regiert hatte, war Klaigon nicht gerade dafür bekannt, ein Mann von großer Duldsamkeit zu sein. Seine Wutausbrüche waren berüchtigt, und er hatte auch schon begriffsstutzige Untergebene oder aufrührerische Bauern kurzerhand öffentlich auspeitschen lassen. Dennoch empfand Klaigon keine Ungeduld, was den Ausgang der Schlacht betraf, die im Tal des Allair geschlagen worden war; denn unabhängig davon, welche der beiden Parteien den Waffengang für sich entschieden hatte, der Sieger würde in jedem Fall er selbst sein.
Klaigons Stärke hatte von jeher darin bestanden, die Zeichen der Zeit zu erkennen und entsprechend zu handeln; er hatte Bündnisse geschlossen, wann immer es seinen Zielen dienlich gewesen war, und sie wieder gekündigt, sobald sie ihren Zweck erfüllt hatten. Auch Blutsbande bildeten von dieser Regel keine Ausnahme, wie der Fall seines Bruders gezeigt hatte.
Ein böses Grinsen huschte über Klaigons Züge, wenn er an seinen Vorgänger im Amt des Fürstregenten dachte. Der arme Karrol hatte nie begriffen, dass Saigon ihm das Blutsbündnis gekündigt hatte. Karrol war ein Narr gewesen, ein Idealist, der bis zuletzt an das Gute im Menschen geglaubt hatte – selbst dann noch, als ihn auf der Jagd ein angeblich
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