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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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schreckliche Erkenntnis nur zu deutlich vor Augen.
    Er war in Urgulroth.
    In Muortis’ finsterem Reich.
    Panik bemächtigte sich seiner. Er wollte sich bewegen, wollte aufspringen und fliehen, aber er konnte nicht. Nicht etwa, weil Fesseln oder Ketten ihn hielten, sondern weil die furchtbare Kälte dafür sorgte, dass seine Glieder ihm den Dienst verweigerten. Arme und Beine gehorchten ihm nicht, er spürte sie kaum; wirkungsvoller als jede Fessel hinderte ihn die Kälte an der Flucht.
    Der Boden, auf dem er lag, war knochenhart und so kalt, dass es Erwyn fast den Atem nahm. Ob es sich um Stein handelte oder ob er tatsächlich auf purem Eis lag, hätte der Junge nicht zu sagen gewusst – in seiner elenden Lage spielte es auch keine Rolle. Er war verschleppt worden und gefangen, und der Schöpfer allein wusste, was man mit ihm vorhatte. Er hörte das Klappern seiner eigenen Zähne, die vor Kälte und Furcht aufeinanderschlugen. Um sich mit dem Klang seiner Stimme ein wenig Mut zu machen, zwang er sich dazu, ein Wort zu sprechen – das tonlose Krächzen, das aus seiner Kehle drang, erschreckte ihn jedoch mehr, als dass es ihn tröstete.
    »Yvolar…«
    Es war ein leiser, zaghafter Hilferuf. Weder nahm der Junge an, dass er darauf Antwort erhalten, noch dass er überhaupt von jemandem gehört würde – umso überraschter war er, darauf ein leises, scheußliches Lachen zu vernehmen, von solcher Eiseskälte, dass selbst der Firn davon erbebte und in winzigen Splittern auf Erwyn herabrieselte. Splitter, in denen sich ein mattgrünes Leuchten brach…
    »W-wer ist da?«, fragte der Junge erschrocken. Noch immer hörte sich seine Stimme an wie die eines Fremden. Ihr Widerhall geisterte unheimlich umher, schien bald näher, dann wieder weit entfernt zu sein. »Y-Yvolar…?«
    Die Stimme lachte erneut. Dann sprach sie, und ihr Klang, dunkler als jede Nacht und kälter als jeder Winter, gab Erwyn das Gefühl, sein Innerstes würde zu Eis erstarren.
    »Was«, fragte sie, »versprichst du dir davon, diesen Namen an diesem Ort auszusprechen? Glaubst du denn, der alte Narr könnte dir noch helfen?«
    Erwyn bebte am ganzen Körper. Gehetzt warf er den Kopf hin und her und versuchte herauszufinden, wo in der Dunkelheit, die sich allmählich lichtete, sich der Urheber der Stimme befand, die zum Entsetzen des Jungen kein Echo hatte. Im Gegenteil – ganz nah schien sie zu sein, in seinem Ohr, in seinem Bewusstsein.
    Eine weitere schreckliche Erkenntnis durchzuckte den armen Erwyn:
    Die Stimme ist in mir…
    Zu gern hätte er der Stimme widersprochen, hätte ihr gesagt, dass der weise Yvolar keineswegs ein Narr sei, und sie gefragt, wo er selbst sich befand und aus welchem Grund.
    Aber er konnte es nicht.
    Sein Lebtag lang hatte Erwyn nichts anderes getan, als in den schützenden Wänden Glondwaracs zu sitzen und Lieder von großen Abenteuern zu singen. Wie sehr hatte er davon geträumt, sie selbst zu erleben, den Staub der dunklen Bergwerksstollen von seinen Füßen zu schütteln und hinauszuziehen in die große Welt.
    Was für ein Narr er gewesen war!
    »Sylfensohn«, ließ sich die Stimme erneut vernehmen, ätzend vor Spott, »kleiner Erbe Ventars… Was weißt du schon von meiner Macht? Was vom wahren Wesen der Dinge? Überhaupt nichts! Einem alten Narren bist du gefolgt, blindlings und ohne zu wissen, worauf du dich einlässt. Hast dich in die Welt begeben, ohne auch nur zu ahnen, was dich erwartet. Hast dich Hals über Kopf ins Abenteuer gestürzt, ohne einen Schimmer, mit wem du es zu tun bekommst.«
    Schritte waren zu hören.
    Der unheimliche Sprecher trat vor, und im grünlichen Schimmern, das stetig zunahm – oder gewöhnten sich Erwyns Augen nur allmählich an den spärlichen Schein? –, gewahrte er eine Gestalt. Noch waren ihre Konturen undeutlich und verschwommen, aber selbst im trügerischen Halbdunkel konnte der Junge erkennen, dass sie von hünenhafter Größe war. Das schwarze Gewand, das sie trug und das alles Licht ringsum zu schlucken schien, reichte bis zum Boden, eine weite Kapuze verhüllte ihr Antlitz.
    »B-bitte«, hauchte der Junge atemlos. »K-kommt nicht näher…«
    »Weshalb nicht? Fürchtest du dich etwa, Sylfensohn?« Erneut erklang jenes Gelächter, das kälter war als Eis. »Das solltest du, denn du befindest dich in meinem Reich und in meiner Gewalt. Grund genug für dich, zu verzweifeln!«
    »W-wer seid Ihr?«
    »Kannst du dir das nicht bereits denken? Hat dein vor Angst schon halb rasender

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