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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hatte die Hügel erreicht, die sich nördlich der Goldenen Stadt erstreckten, und nur in Begleitung seiner beiden besten Späher hatte Meinrad den Fluss überquert und sich ihr genähert. Unterwegs hatte er sich auszumalen versucht, was in Iónador los sein mochte, erst recht nach den Berichten der Flüchtlinge, die die Zustände dort in den grässlichsten Farben geschildert hatten. Was Meinrad und seine Begleiter jedoch zu sehen bekamen, übertraf ihre ärgsten Befürchtungen.
    Ihre Pferde hatten sie zurückgelassen, ebenso alle schwere Bewaffnung und Rüstung. Nur mit leichten Bogen und Schwertern bewehrt und mit Umhängen aus Schafsfell auf den Rücken, die sie im Schnee tarnen sollten, hatte die drei Männer den Hügelkamm überwunden und sich im Schutz einiger verschneiter Bäume an das Ufer des Spiegelsees herangepirscht. Eine Schneeverwehung diente als Deckung, von der aus sie alles beobachten konnten.
    Auf den ersten Blick wirkte Iónador so wie in früheren Wintern: Der Spiegelsee war zugefroren, Schnee bedeckte die Türme und Zinnen. Aber selbst die weißen Massen konnten das Grauen nicht überdecken, das von Iónador Besitz ergriffen hatte und das schon der zweite Blick offenbarte.
    Die Banner der Stadt waren eingeholt worden; statt Blau und Gold, den traditionellen Farben Iónadors, flatterten grässliche Fahnen im Wind, blutbesudelte Fetzen, die mit grausigen Symbolen beschmiert waren. Und sie waren nicht die einzigen Zeugen des Schreckens: Zwischen den Zinnen und auf den Türmen ragten blutige Lanzen empor, auf denen die Köpfe von Menschen steckten – Einwohnern Iónadors, die unter den Klauen der Unholde ein furchtbares Ende gefunden hatten. Und schließlich war da der dunkle Rauch, der von unzähligen Feuern aufstieg und sich über der Stadt zu einer schwarzen Wolke ballte. Der Gestank, der über den gefrorenen See herüberdrang, war ebenso beißend wie ekelerregend.
    Obwohl die Erle die Stadt kampflos in Besitz genommen hatten, standen Häuser in Flammen, was darauf schließen ließ, wie schlimm die Unholde in Iónador wüteten. Die einstmals weißen Mauern waren von Blut und Schmutz besudelt, und auf den Wehrgängen und Türmen balgten sich grölende Unholde, bei deren Anblick Meinrad von Entsetzen ergriffen wurde. Er hatte Geschichten über die Erle gehört, Lieder aus alter Zeit, in denen sie als grausame, furchterregende Gegner beschrieben worden waren. Niemals hätte er jedoch geglaubt, dass sie tatsächlich existierten, noch dass er je einen von ihnen zu Gesicht bekommen würde.
    Hin und wieder kippte einer der Erle über die Brüstung und stürzte schreiend in die Tiefe, zur Erheiterung seiner Kumpane. Doch statt darüber erfreut zu sein, dass die Unholde einander gegenseitig dezimierten, wurde Meinrad nur noch verzweifelter. Die Schergen des Bösen waren in solch großer Anzahl in Iónador einmarschiert, dass es ihnen auf ein paar mehr oder weniger nicht ankam. Die Stadt schien förmlich überzuquellen vor finsteren Kreaturen, deren einziger Daseinszweck es war, zu plündern und zu morden. Und wenn sie schon das Leben von ihresgleichen so gering achteten, konnte sich Meinrad von Kean d’Eagol ausmalen, wie wenig erst ein Menschenleben für sie zählte…
    Unbewegt, fast gleichgültig, erhob sich der Túrin Mar aus dem Meer von Chaos und Zerstörung, über dem sich wiederum die schützende Decke des Schildberges wölbte. Der Gedanke an den jahrtausendealten Fels, der auf eine solch wechselvolle Geschichte blicken konnte, hatte etwas Tröstendes. Allerdings…
    »Seht, Herr!«, flüsterte einer seiner Begleiter.
    Meinrad schaute in die Richtung, in die sein Gefolgsmann deutete. Die Erle dort schienen in besonderer Aufregung zu sein; Tumult herrschte auf den Türmen und Wehrgängen zu beiden Seiten des großen Tors.
    »Was geht da vor sich, Herr?«, fragte der Späher furchtsam. »Glaubt Ihr, sie haben uns entdeckt?«
    »Nein«, widersprach Meinrad mit fester Stimme, obgleich schon der Gedanke genügte, um ihm eisige Schauer über den Rücken zu jagen. »Aber irgendetwas scheint dort drüben vorzugehen, und ich frage mich, was bei allen Gipfeln sie…«
    Er unterbrach sich, denn in diesem Augenblick wurde klar, was die Erle so in Aufregung versetzte. Elende, abgerissene Gestalten tauchten zwischen den Mauerzinnen auf.
    Gefangene Menschen…
    Selbst auf die Entfernung war deutlich zu sehen, dass sie grauenvoll misshandelt worden waren. Meinrad erschrak, als er den in Fetzen hängenden

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