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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hatten…
    Yvolar stieg in die Tiefe, den Stab in der Hand, von dem ein zaghaftes Leuchten ausging – gerade stark genug, dass die beiden Wanderer auf den schiefen Stufen nicht stolperten, aber wiederum zu schwach, um aus größerer Entfernung wahrgenommen zu werden; schon nach wenigen Armlängen wurde der spärliche Schein von der zähen Dunkelheit verschluckt, die immer noch zuzunehmen schien, je weiter sie hinabgelangten.
    Eiseskälte herrschte, und Alphart konnte seinen Atem sehen, der Mund und Nase als weißer Dampf entwich. Er hatte das Gefühl, als krieche die Kälte geradewegs unter seine Kleider. Weder sein Jagdrock noch der Mantel der Zwerge, noch das Fell, das die Vergessenen ihm gegeben hatten, konnten ihn davor schützen. Er merkte, wie der mörderische Frost seine Bewegungen hemmte, und hatte das Gefühl, dass Tausende von Nadeln von allen Seiten auf ihn einstachen. Der bitterste Winter war nichts im Vergleich zu den Temperaturen, die an diesem Ort herrschten.
    Das Gesicht des Jägers war zur starren Maske gefroren, jedes Empfinden aus seinen Fingern gewichen, sodass er den Pfeil zurück in den Köcher an seinem Gürtel steckte und den Bogen wieder über die Schulter schwang, direkt neben dem mächtigen Schild der Vergessenen. Selbst seine Gedanken schienen allmählich zu gefrieren, so wie ein Wasserfall, der allmählich erstarrte. Noch schlimmer jedoch war die Angst, die zusammen mit der Kälte seinen Rücken emporkroch und sich in seinem Nacken festsetzte. Gestaltlose, mörderische Angst, die alles übertraf, was Alphart je zuvor in seinem Leben empfanden hatte.
    »Das ist Muortis«, presste Yvolar flüsternd hervor, was ihn unendliche Mühe zu kosten schien. »Seine Gegenwart lässt alles Leben und jeden Gedanken erstarren. Du musst dich dagegen abschirmen, Wildfänger. Hörst du? Du musst dich dagegen abschirmen…«
    »Wie, Druide? Ich habe damit zu tun, nicht zu erfrieren.«
    »Du musst… deine Gedanken schirmen… denke an etwas, das deine Seele mit Wärme erfüllt… mit Freude…«
    Mit Wärme und Freude?
    Der Druide hatte leicht reden.
    Wie, bei allen Wettern des Wildgebirges, sollte einem an einem Ort wie diesem auch nur ein einziger tröstender Gedanke kommen?
    Die Antwort kam von ganz allein, als Alphart an den Beginn der Reise dachte. An Leffel, dem er in Iónador so unvermittelt begegnet und bis vor einer Stunde nicht mehr von der Seite gewichen war; an Rionna, die Prinzessin der Goldenen Stadt, die Gefühle in ihm geweckt hatte, die er noch nie zuvor empfanden hatte; an Yvolar, dem er zunächst so misstrauisch und abweisend begegnet war und der sich als väterlicher Freund erwiesen hatte; an Erwyn, der stets an sich selbst zweifelte und einen großen Bruder in ihm sah; an den wackeren Urys, der sein Leben für den Jungen geopfert hatte; an den ewig plappernden Kobling Mux und den wortkargen Walkar.
    Wie hatte Bannhart doch gleich gesagt? Die Gemeinschaft vieler kann helfen, eine Lücke zu füllen. War nicht genau das bereits geschehen? Hatte Leffel nicht recht, wenn er von einer neuen Familie sprach, die sie alle gefunden hatten?
    Der Gedanke an seine Freunde schenkte dem Wildfänger ein wenig Zuversicht. Sie reichte nicht aus, um Furcht und Frost ganz zu vertreiben, aber beides fühlte sich nicht mehr ganz so endgültig an. Und Alphart begriff, was der Druide gemeint hatte: Die Kälte in Muortis’ Reich war keineswegs nur körperlicher Natur…
    Scheinbar endlos wand sich der Schacht in die Tiefe, und immer mussten die beiden Eindringlinge sich vorsehen, im spärlichen Licht und auf den ungleichmäßigen, eisverkrusteten Stufen nicht auszugleiten. Wie lange sie so durch die Dunkelheit wanderten, hätte Alphart später nicht mehr zu sagen gewusst; jedes Gefühl für Zeit war ihm verloren gegangen. Irgendwann jedoch blieb Yvolar stehen.
    »Was ist?«, erkundigte sich Alphart mit tonloser, frostbeschlagener Stimme.
    »Hörst du das nicht?«
    Die Sinne des Wildfängers waren dumpf und taub vor Kälte. Angestrengt lauschte er, und es kostete ihn einige Mühe herauszufinden, dass das Rauschen, das er vernahm, nicht von seinem eigenen gefrierenden Blut stammte…
    »Was ist das?«, wollte er wissen.
    »Weißt du noch, was ich dir über das Grundmeer erzählt habe? Über das große Wasser unterhalb unserer Welt, von dem alle Seen Allagáins nur die Augen sind?«
    »Ja«, bestätigte Alphart. »Und?«
    Statt zu antworten, ging Yvolar weiter. Neugier schien die Schritte des alten Mannes zu

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